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Die andere Seite des Glücks

Die andere Seite des Glücks

Titel: Die andere Seite des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seré Prince Halverson
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Stress hatte, was gewöhnlich kurz vor ihrer Periode war. Und da unsere Zyklen deckungsgleich waren, konnte sie mir nichts vormachen. Mondschwestern. Wir hatten uns erst hier in Elbow kennengelernt, doch auf Anhieb so gut verstanden, dass wir inzwischen viel mehr als den gleichen Zyklus teilten. Lucy hatte lange schwarze Haare, meinte aber, wegen ihres Namens eigentlich rothaarig sein zu müssen. Manchmal nannte sie mich Ella Mertz, nach den besten Freunden der Heldin von
Typisch Lucy
. Sie und David waren neben Joe meine besten Freunde geworden.
    Am Ende saßen wir zusammen auf der Gartenbank und rauchten schweigend. Der Qualm tat mir im Hals weh, stieg mir in den Kopf. Lucy reichte mir die Flasche.
    »Wie? Keine Gläser? Ist das der Weinverkostung letzter Schrei in Sonoma?«
    »Goldrichtig. Aber normalerweise wickeln wir die Flasche noch in eine braune Papiertüte ein.«
    »Fürwahr distinguiert.« Ich setzte die Flasche an und trank einen ordentlichen Schluck Pinot noir.
    Hinter uns ertönte eine Stimme: »Ich wollte mich nur verabschieden.« Ich wirbelte herum und erblickte Paige, die mir die Hand hinhielt. Die ich wiederum nicht nehmen konnte, weil ich wegen der Weinflasche und der Zigarette keine Hand frei hatte. Eine wirklich bühnenreife Vorstellung.
    »Oh, tut mir leid, hier …« Ich trat die Kippe aus und gab Lucy die Flasche zurück. »Ich dachte, Sie wären schon weg.«
    »Mir ist aufgefallen, dass ich noch kein Wort mit Ihnen geredet habe, seit wir hier im Haus sind, und ich wollte mich bedanken, dass ich herkommen durfte. Das ist bestimmt eine schwere Zeit für Sie.«
    Ich betrachtete sie eingehend, sah die Herkunft von Annies Augen, ihr eigenwilliges Kinn, Zachs vornehme Stirn vor mir. »Danke.«
    »Das mit den Kindern haben Sie gut hingekriegt«, sagte sie, wobei ihre Stimme nur unmerklich brach, ein Haarriss in der Marmorgöttin. »Ich gehe jetzt lieber.«
    Ich stand auf. Sie hob das Kinn. Ich wollte nicht von ihr umarmt werden und sie sicher nicht von mir. Aber wir hatten den ganzen Tag andere Menschen umarmt – das machte man in solchen Zeiten –, und so klopften wir einander steif auf den Rücken, eine distanzierte Beinahe-Umarmung. Sie roch wirklich gut, viel besser als ich. Besser als Zigarettenrauch und Alkohol.

    Als ich schließlich ins Bett ging, waren beide Kinder schon aus ihren Betten in unseres – meines – geklettert und schliefen. Ich war froh über ihre Gesellschaft. Gegen zwei Uhr morgens schoss Annie im Bett hoch und rief: »Hi, Daddy!« Ich schreckte auf, erwartete, dass Joe im Zimmer stehen und sagen würde, wir müssten uns jetzt anziehen und zum Picknick aufbrechen.
    Im Licht des verschleierten Mondes sah ich Annie lächeln. Sie hatte die Augen geschlossen, und ich wollte in ihren Traum kriechen und dort bleiben. Callie stieß einen Seufzer aus und legte den Kopf zurück auf meine Füße. Zach nuckelte lautstark am Daumen, und ich hoffte, der Rhythmus würde mich zurück in den Schlaf lullen. Alles an mir war erschöpft – meine Muskeln, meine Knochen, jedes Organ –, nur der Verstand raste im Zickzack durch Momentaufnahmen meines Lebens mit Joe. Ich versuchte, mich an die wenigen Gespräche über Paige zu erinnern, um die Informationen wieder hervorzuholen, die ich in der
Kein-Grund-sich-damit-zu-befassen
-Schublade verstaut hatte. Damals wollte ich nicht in der Vergangenheit leben, weder in seiner noch in meiner. Ich stellte keine Fragen, weil ich kein Interesse an den Antworten hatte.
    Nur eines war mir wichtig gewesen: Ich wollte sicher sein, dass sie sich wirklich endgültig getrennt hatten und nicht beabsichtigten, es doch noch einmal miteinander zu versuchen. Auf keinen Fall wollte ich diejenige sein, die eine Familie zerstört.
    An jenem ersten Abend in Joes Haus war der Morgenrock im Bad der einzige Hinweis auf Paige gewesen. Den ganzen nächsten Tag war ich auf Jobsuche, und als ich am Abend zurückkam, war auch der verschwunden. Joe hatte alle Sachen von Paige aus dem Haus entfernt, denn bis auf das Foto von ihrer Schwangerschaft, fand ich nie wieder einen Hinweis auf ihre Existenz.
    »Vor vier Monaten«, hatte er kurz nach unserer ersten Begegnung gesagt, und das sollte die einzige Erklärung bleiben, »während ich mit den Kindern bei meiner Mutter zum Sonntagsbrunch war, hat sie ihre Sachen gepackt.« Wir hatten im Bett gelegen und das Schattenspiel der Kerze an der Wand beobachtet, lange nachdem unsere eigenen Schatten zur Ruhe gefunden hatten. »Sie hat

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