Die andere Seite des Glücks
Visitenkarte.
PAIGE CAPOZZI
Home Stager
FÜR MIET - UND VERKAUFSOBJEKTE
DER GEHOBENEN KLASSE
Sie wollen Ihr Objekt im richtigen Licht präsentieren?
Rufen Sie mich an: 800 – 555 – 7531
»Sie arbeitet als ›Home Stager‹. Das sind Leute, die Haus- und Wohnungsbesitzer bei der Präsentation ihrer Immobilien beraten, die sie vermieten oder verkaufen wollen – eine ziemlich neue Branche«, erzählte ich meiner Mutter, die gerade abwusch.
»Ja, ich weiß. So eine Art Innendekorateurin, die ins Haus kommt und einem erzählt, man solle sein ganzes Gerümpel wegwerfen.«
»Wie Großmutter Beene.«
»Genau. Shirley hatte so jemanden engagiert, als sie ihr Haus verkaufen wollte. Auf Anraten der Frau hatte sie ein paar Möbel gemietet und ihren alten pfirsichfarbenen Fernsehsessel rausgeschmissen, was gut war. Sie hatte überall frische Blumen hingestellt und einen Apfelkuchen in den Backofen geschoben. Und sie musste alle Fotos abhängen.«
»Warum denn? Das scheint mir ziemlich unpersönlich.«
»Sie meinte, so könnten sich die potentiellen Käufer das Haus besser vorstellen und würden nicht von all den persönlichen Dingen abgelenkt. Vermutlich sollen sich die Leute gleich beim Eintreten wie zu Hause fühlen, ohne die gegenwärtigen Bewohner groß ausblenden zu müssen. Außerdem hat sie Fengshui-Regeln beachtet, um positive Energien zu erzeugen.«
»Hat es funktioniert?«
»Ihr Haus sah nie besser aus. Nach zwei Tagen war es verkauft, sogar für mehr Geld, als sie ursprünglich wollte. Du kennst doch den derzeitigen Immobilienmarkt, die Preise schießen immer weiter nach oben. Shirley musste sich beherrschen, um es nicht gleich wieder zurückzukaufen.«
»Ich habe mir Paige immer als durchgeknallte Frau vorgestellt, die in einer Wohnwagensiedlung haust und den ganzen Tag vor dem Fernseher hockt und Soaps guckt.« Ich sah mir das Zimmer mit Paiges Augen an – wie sie die Bücherregale leerräumte und Müllsäcke und Kisten für eine Hilfsorganisation fertig machte. Die wenigen Paar Schuhe, die sie uns ließ, würde sie ordentlich aufgereiht draußen auf die Veranda stellen. »Was zum Teufel will sie, Mom?«
Meine Mutter schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich gar nichts. Außer vielleicht einen Weg zu finden, sich selbst zu vergeben.«
Meine Mutter wollte sich ausruhen, und ich bot ihr mein Bett an. Ich selbst hatte zwar auch kaum geschlafen, war aber viel zu überdreht, um mich hinzulegen, und wollte zumindest einen Blick auf die Unterlagen aus dem Büro werfen.
Die Aktenmappe mit der Aufschrift »Verbindlichkeiten« war voller Rechnungen mit einem
Überfällig
-Stempel drauf. Wie war das möglich? Joe gehörte nicht zu den Leuten, die ihre Rechnungen ewig liegenließen. Wenn es ums Bezahlen ging, war er geradezu fanatisch pünktlich. Gäbe es einen religiösen Kult namens
Zahlen Sie Pünktlich Für Ihre Sünden,
wäre er ihr Papst oder zumindest ein sehr ehrenwerter Guru.
Doch da lagen sie, direkt vor mir – die Beweise der Geschäftsflaute. Ich blätterte die Rechnungen durch. Seit drei Monaten hatte er Ben Aston nicht bezahlt? Ben Aston war seit Jahren sein Hauptlieferant für Obst und Gemüse. Er war ein Freund. Unten auf der letzten Rechnung hatte Ben handschriftlich vermerkt:
Hi, Joey, kannst du das erledigen?
Der fällige Betrag war farbig markiert: 2563 , 47 Dollar. Auf der Bäckerei-Rechnung stand der Vermerk:
Letzte Aufforderung vor Lieferstopp
. In zwei Wochen würde der Strom abgestellt, wenn bis dahin der Betrag von 1269 Dollar nicht eingegangen wäre. Wir hatten Schulden bei Teaberry’s Ranch, Donaldson’s Dairy, den Bier- und Weinlieferanten und der Telefongesellschaft. Mir wurde ganz heiß. Ich musste an die frische Luft.
Ich ging hinaus in den Garten und fing an, Unkraut zu rupfen. Aber nicht wie sonst, sorgfältig mit der Wurzel. O nein. Ich zerrte es einfach raus und warf es auf einen Haufen.
Was zum Teufel soll das? Du stirbst einfach so? Lässt mich allein zurück? Und Annie? Und Zach? Und hast nichts von dem Schlamassel gesagt, in dem du steckst?
»In dem wir jetzt wegen dir stecken!« Ich trampelte auf dem Unkrauthaufen herum, so dass Löwenzahnblüten und Sauerkleesamen aufflogen und vom Wind über den ganzen Boden verteilt wurden. Sollte doch alles zuwuchern, war mir doch egal. »Oh, und Paige taucht auf? Tatsächlich? Jetzt? Nach drei Jahren des … hm … wie soll ich sagen … Nichts? ›Hi, ich bin Annie und Zachs
Mutter
.‹ Was zum Teufel
Weitere Kostenlose Bücher