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Die andere Seite des Glücks

Die andere Seite des Glücks

Titel: Die andere Seite des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seré Prince Halverson
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sollte das denn?«
    Eine Autotür schlug zu. In meiner Wut hatte ich Marcellas Acura nicht kommen hören. Callie saß da, den Kopf zur Seite geneigt, die Ohren angelegt und die stumme Frage in den Augen, ob ich vielleicht verrückt geworden war. Während Marcella bedächtig den Pfad entlangging, atmete ich ein paarmal tief durch und hoffte, dass sie meine Tirade nicht mitbekommen hatte. Alles an ihr war übergroß: ihr Körper, ihre Stimmgewalt, ihre Mahlzeiten, ihr Ordnungs- und Sauberkeitsdrang, ihr Glaube, ihr Herz, die Liebe zu ihrer Familie und – wie jeder wusste – besonders die Liebe zu ihren Söhnen. Und jetzt hatte Traurigkeit von ihr Besitz ergriffen, was der schleppende Gang und, als sie näher kam, ihr Gesicht offenbarten. Sie hatte Lippenstift aufgetragen, doch der wirkte so verloren wie ein aufgesetztes Lächeln – zu hell und zu künstlich in dem bleichen, kummervollen Gesicht.
    »Ella, Liebes … das mit Paige tut mir leid. Ich hatte versucht, dich anzurufen. Hast du meine Nachricht erhalten?«
    Ich schüttelte den Kopf. Elbow war das Bermudadreieck des Handyempfangs.
    Sie atmete tief ein. »Tante Sophie hatte wieder einen ihrer Anfälle. Ich wusste nicht, was ich machen sollte, und Paige bot ihre Hilfe an, und ich –«
    »Schon okay.« Ich zuckte die Schultern. »Schon okay.«
    »Sie – Paige – kommt mir so verändert vor.«
    »Inwiefern?«
    »So … kompetent. Früher war sie weinerlich und verwöhnt. Sie hat mich in den Wahnsinn getrieben. Und sie war überhaupt keine Mutter, hat immer nur gejammert und geklagt und Trübsal geblasen. Jedenfalls keine Frau für Joseph.«
    Sein Name klang wie ein Schrei. »O nein«, sagte sie, »das wollte ich nicht. Es tut mir leid, Liebes, du hast deinen eigenen Kummer.«
    Ich nahm sie in die Arme. »Du«, sagte ich, »ganz besonders du hast das Recht zu weinen. Wir werden das durchstehen. Komm, lass uns was essen.«
    Sie tätschelte meine Hand. »Du klingst wie eine Italienerin, wenn du das sagst.«

    Marcella hatte eine Minestrone mitgebracht, und ich machte einen grünen Salat aus unserem Garten dazu – einen der wenigen Köpfe, die ich nicht plattgetrampelt hatte. Wenig später erschien auch Joes Vater mit warmem, mit Käse überbackenem Brot aus der Bäckerei in Freestone. Als das Gespräch auf den Laden kam, konzentrierte ich mich darauf, Zachs Suppe mit Eiswürfeln runterzukühlen.
    »Eines kann uns niemand nehmen«, sagte Joe senior. »Wir können stolz darauf sein, wie unser Sohn den Laden geführt hat, was in diesen Zeiten wirklich nicht einfach ist. All die riesigen Discounter mit ihren Großpackungen. Muss man wirklich fünfzig Rollen Klopapier haben, nur weil es billiger ist? Und dann größere Häuser bauen, um das ganze Klopapier unterzubringen? All die Umweltschützer, die in diesen bombastischen Hütten wohnen, sollten es besser wissen. Aber dann Solaranlagen auf die verdammten Dinger bauen.«
    »Joseph. Deine Enkelkinder.«
    »Reine Idiotie. Aber Capozzi’s existiert weiter.« Er schenkte sich Wein nach. »Ein paar Jahre nach der Eröffnung hätte mein Vater den Laden fast verloren.« Er und Marcella sahen sich lange an. Ich wusste, wovon er sprach – dem Tabuthema Internierungslager. »Aber wir halten durch. Ich hatte ja Bedenken, ob Joe das Zeug dazu hat. In jungen Jahren war er immer nur unterwegs und hat fotografiert, ein Träumer.« Er klopfte sich auf die Brust. »Aber er hat das Richtige getan. Der Junge hat seinen Großvater geliebt und dessen Namen Ehre gemacht. Joey hat uns alle stolz gemacht.« Da Marcella sich jetzt mit der Serviette über die Augen tupfte, wechselte er das Thema und fragte Annie, was sie den Tag über alles angestellt habe.
    Annie sah mich an, dann sagte sie: »Ich hab mit Mama gespielt.«
    »Im Garten?«, fragte Joe senior.
    »Nein … nicht mit Mommy.
Mama

    »Mama, Mommy. Wo ist da der Unterschied?
Mamma mia
kann ich nur sagen.«
    »Nein, Opa. Das ist
Mommy
.« Sie stupste mich an die Schulter. »Aber die andere Lady ist Mama. Das weißt du doch, Dummi.«
    So sehr ich Marcellas Minestrone mochte, brodelte nun jeder Löffel in meinem Magen weiter, drohte mit Anarchie. Und das Brot ging erst gar nicht runter. Mitten in meinem Verdauungstrakt hatte sich Angst breitgemacht.
    »Paige war heute noch einmal da, Großvater«, sagte Marcella.
    »Wozu das denn? Himmelherrgott, diese Frau, wenn man sie überhaupt so nennen kann –«
    »Joseph Capozzi, sei still!«
    »So ist das eben, wenn man eine Frau

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