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Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)

Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)

Titel: Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeannette Walls
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Flügel, aber sie können nicht fliegen. Sie sehen aus, als sollte es sie gar nicht geben.«
    »Das macht sie zu was Besonderem.«

15
    A ls wir am Samstag bei den Maddox ankamen,  machte uns Cindy die Tür auf. Ich wollte ihr hallo sagen, doch sie wandte sich ab und rief: »Sie sind da.«
    Wir folgten Cindy ins Haus. Im Wohnzimmer standen überall Kisten und irgendwelche Geräte herum, darunter ein tragbarer Schwarz-Weiß-Fernseher oben auf einem wuchtigen Farbfernseher. Die beiden Fernseher waren auf verschiedene Sender eingestellt, aber an dem Schwarz-Weiß-Gerät war der Ton abgestellt. Eine schwangere Frau mit mausblondem Haar saß auf einem schwarzen Kunstledersofa und stillte ein dickes Baby. Sie warf uns einen Blick zu und rief: »Jerry!«
    Mr Maddox kam von irgendwo hinten im Haus, stellte die Frau als seine Ehefrau Doris vor und winkte uns, ihm den Flur entlang zu folgen. Eine der Merkwürdigkeiten im Haus der Maddox war, dass rein gar nichts an den Wänden hing: kein Bild, kein Poster, kein Pinboard, kein Familienfoto, kein nettes Sprichwort, kein Bibelvers, einfach bloß kahle, krankenhausweiße Wände.
    Mr Maddox führte uns in einen Raum, in dem noch mehr Kisten standen, ein paar Aktenschränke in der Farbe von Kitt und ein metallener Schreibtisch. Er setzte sich hinter den Schreibtisch und deutete auf zwei Klappstühle davor. »Nehmt Platz«, sagte er. Er nahm einen Stapel Akten, klopfte ihn auf der Tischplatte bündig und schob ihn in eine Schublade. »Ich hab viele Leute, die für mich arbeiten«, erklärte er, »und ich erkundige mich immer danach, wo sie herkommen und was sie bislang gemacht haben.« Er sei Werkmeister in der Weberei, sagte er, aber er mache zusätzlich Geschäfte, bei denen es um komplizierte und knifflige finanzielle und rechtliche Angelegenheiten ging. Er musste den Menschen vertrauen können, die für ihn arbeiteten und Zugang zu seinem Haus und seinem Büro hatten, von wo aus er seine Geschäfte leitete. Und um den Menschen, die für ihn arbeiteten, vollauf vertrauen zu können, musste er wissen, wer sie waren. Gebotene Sorgfalt nannte er das, ein Standardverfahren bei umsichtigen Geschäftsleuten. »Ich möchte keine unangenehmen Überraschungen erleben, wenn ich erst mal jemanden eingestellt habe. Umgekehrt gilt das natürlich genauso. Irgendwelche Fragen bezüglich meiner Eignung als Arbeitgeber?« Er wartete. »Nein? Also dann, erzählt mir ein bisschen über euch.«
    Liz und ich sahen uns an. Sie begann zögerlich, die Jobs zu beschreiben, die wir bislang gehabt hatten, aber Mr Maddox wollte mehr über uns wissen, unsere schulischen Leistungen, unsere häuslichen Pflichten, Moms Regeln, Mom selbst. Mr Maddox hörte aufmerksam zu, und sobald er spürte, dass Liz bei irgendwas ausweichend antwortete, hakte er mit gezielten Fragen nach. Als Liz sagte, manche dieser Informationen wären sehr privat und gehörten nicht hierher, erklärte er, dass für viele Jobs eine Unbedenklichkeitserklärung und Zuverlässigkeitsbescheinigung erforderlich waren, und das gelte auch für diesen. Er würde alles, was wir ihm erzählten, absolut vertraulich behandeln. »Ihr könnt Jerry Maddox vertrauen«, sagte er.
    Es schien unmöglich, seine Fragen nicht zu beantworten. Das Eigenartige war, dass ihn offenbar nichts überraschte oder irritierte. Er war richtig mitfühlend und verständnisvoll. Es sagte, Mom wäre anscheinend ein sehr talentierter und faszinierender Mensch, und er vertraute uns an, dass seine eigene Mom eine schwierige Frau sei – sehr klug, aber Junge, Junge, was war die launisch, er hatte bei ihr nie gewusst, wenn er nach Hause kam, ob er sich auf eine Umarmung oder eine Tracht Prügel gefasst machen konnte.
    Danach redeten wir einfach drauflos, und bald hatte Mr Maddox uns die ganze Geschichte aus der Nase gezogen: dass Mom plötzlich verschwunden war, dass die Fliegelflagel aufgetaucht waren, dass wir den Bus von Lost Lake nach Byler genommen hatten. Er wollte haargenau wissen, warum Mom ausgerastet und abgehauen war, und so kam es, dass ich ihm von Mark Parker erzählte, dem Freund, den es irgendwie gar nicht gab. Ich erzählte ihm auch, wie wir diesen ekelhaften Perversling in New Orleans ausgetrickst hatten, weil ich dachte, es würde ihn beeindrucken, dass Liz so pfiffig gewesen war.
    Und genau das sagte er dann auch: »Ich bin beeindruckt«, sagte er. Er hatte sich zurückgelehnt und die Hände hinter dem Kopf verschränkt. »Ich mag Leute, die mit schwierigen

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