Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)
sie Ablage, vereinbarte Termine für ihn und ging an sein Telefon, wenn jemand anrief. Mr Maddox sagte ihr, sie solle jedem erzählen, er wäre in einer Besprechung, denn so konnte er sich Leute vom Hals halten, mit denen er nicht reden wollte, und denjenigen imponieren, an denen ihm etwas lag.
Wir hatten keine regelmäßigen Arbeitszeiten. Mr Maddox sagte uns einfach, wann er uns das nächste Mal benötigte. Und wir bekamen auch kein regelmäßiges Gehalt. Mr Maddox bezahlte uns, wenn er fand, dass wir es verdienten, je nachdem, wie viel wir an dem betreffenden Tag gearbeitet hatten. Liz fand, wir sollten stundenweise bezahlt werden, aber Mr Maddox meinte, seiner Erfahrung nach würde das Faulheit fördern, und die Leute wären eher bereit, hart zu arbeiten, wenn sie ihrer Leistung gemäß bezahlt wurden.
Mr Maddox kaufte uns auch Kleidung. Als wir eines Morgens zur Arbeit kamen, überreichte er uns beiden jeweils ein hellblaues Kleid und sagte, das wäre eine Prämie. Eine Woche später ging er sogar mit Liz in ein Geschäft und ließ sie verschiedene Sachen anprobieren, ehe er aussuchte, was ihm am besten gefiel.
Wir mussten die hellblauen Kleider nicht jeden Tag tragen, nur wenn Mr Maddox es uns sagte. Ich mochte das Kleid nicht besonders, weil es sich wie eine Uniform anfühlte. Ich hätte meine Prämie lieber in bar bekommen, aber Mr Maddox meinte, da ich in seinem Haus arbeitete und Liz ihn bei Besprechungen mit seinen Geschäftspartnern begleitete, sollten wir uns so kleiden, wie er das für angemessen hielt. Und, so fügte er hinzu, der Preis der Kleider wäre höher als jede Barprämie, die er uns bezahlt hätte, also schnitten wir unterm Strich so besser ab. »Ich hab euch einen großen Gefallen getan«, sagte er.
Eines musste man Mr Maddox lassen: Er machte es einem verflixt schwer, gegen ihn anzukommen.
17
W ir hatten noch nicht lange für die Maddox gearbeitet, als mir auffiel, dass Doris und die Kinder praktisch nie aus dem Haus gingen, höchstens mal in den Garten. An manchen Tagen saß ich auf den Eingangsstufen, passte auf Cindy, Jerry jr. und Randy auf und betrachtete die umfangreiche Radkappensammlung, die am Drahtzaun hing. Diese endlosen Reihen von Radkappen – glänzend und hart wie Schilde, mit Speichen oder Pfeilspitzenmustern oder Strahlenkränzen – hatten was Hypnotisches an sich, und wenn die Sonne darauf fiel, konntest du kaum hinsehen, weil sie so stark blendeten.
Das Komische war, selbst wenn die Kinder draußen im Garten waren, spielten sie nicht richtig. Sie saßen bloß auf dem Rasen oder in den von der Virginia-Sonne ausgebleichten Plastiktretautos und starrten geradeaus, und ich konnte sie beim besten Willen nicht dazu kriegen, mal ein wenig herumzufahren oder Autogeräusche zu machen.
Aber sie gingen gar nicht so oft in den Garten. Ein Grund dafür war, dass Mr Maddox und Doris panische Angst vor Keimen und Bakterien hatten. Deshalb ließen sie mich andauernd ihre Wände, Böden und Tischplatten schrubben, und deshalb hatten sie Reinigungsmittel, von denen ich noch nie gehört hatte: Ammoniak, Clorox, Lysol, unterschiedliche Reiniger für Teppiche, Leder, Glas, Holz, Waschbecken, Toiletten, Polstermöbel, Chrom, Messing, sogar ein Spezialspray, um Flecken aus Krawatten zu entfernen.
Cindy Maddox war total besessen von der Idee, dass sich Dinge gegenseitig beschmutzten. Sie aß nichts, was mit anderem Essbarem in Berührung gekommen war. Das Fett vom Hamburger durfte nicht auf die Kartoffeln tropfen, der Mais aus der Dose durfte nicht an den Hackbraten stoßen, und Eier aß sie überhaupt nicht, weil Eiweiß und Eigelb gemeinsam in der Schale gewesen waren. Cindy mochte es auch nicht, wenn ihre Spielsachen angefasst wurden. Die meisten ihrer Puppen standen, noch eingepackt in der Schachtel, in Reih und Glied auf einem Regalbrett in ihrem Zimmer und stierten durch das Zellophan in die Welt.
Cindy war das einzige Maddox-Kind im schulpflichtigen Alter. Aber ihre Eltern unterrichteten sie zu Hause, weil Doris Angst hatte, sie könnte sich Keime einfangen. Cindy hatte bei der letzten Prüfung nicht gut abgeschnitten, deshalb sollte sie lernen, obwohl Sommerferien waren. Doch Cindy hatte keine Lust zu lernen, und Doris hatte keine Lust, sie zu unterrichten. Die meiste Zeit saßen die beiden zusammen auf der Kunstledercouch vor dem Fernseher. Manchmal wies Doris mich oder Liz an, Cindy was vorzulesen. Cindy hatte es unheimlich gern, wenn ihr jemand vorlas.
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