Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)
Meinung«, sagte Tante Al. »Hier bei uns ist das ein heikles Thema. Die Leute halten den Militärdienst für selbstverständlich. Du tust, was dein Land von dir verlangt, und du bist stolz drauf.«
»Wenn ich mit der Schule fertig bin, melde ich mich zum Militär«, sagte Joe. »Ich warte nicht, bis ich eingezogen werde.«
»Mein Clarence war in Korea«, erklärte Tante Al. »Und dein Daddy auch, Bean. Er hat den Silver Star bekommen.«
»Was ist das?«
»Ein Orden«, sagte Tante Al. »Charlie war ein Held. Er ist unter Feuerbeschuss zu einem verwundeten Kameraden gerannt und hat ihn gerettet.«
»Du willst Soldat werden?«, sagte Liz zu Joe.
»Das ist hier so üblich«, sagte Joe. »Ich will Hubschrauber reparieren und lernen, wie man die fliegt, genau wie Truman.«
Liz starrte ihn fassungslos an, und ich fürchtete schon, sie würde gleich irgendwas Sarkastisches von sich geben, also wechselte ich das Thema: »Wir wollen uns einen Job suchen«, sagte ich zu Tante Al.
»Das wird nicht leicht werden«, sagte sie. Die Leute in Byler hätten nicht mehr viel Arbeit zu vergeben, erklärte sie. Die auf dem Hügel hatten jedenfalls kein Geld übrig. Sie und Clarence konnten sich nicht mal ein Auto leisten, und die meisten ihrer Nachbarn auch nicht. Drüben auf der Davis Street und der East Street, wo die Ärzte und Anwälte und die Richter und die Banker wohnten, hatten die meisten Leute Farbige, die für sie kochten und die Wäsche machten und die Gärten pflegten. Aber es gab ein paar Rentner in der Stadt, für die wir vielleicht ein paar Besorgungen machen oder Gartenarbeit erledigen könnten.
»Ich krieg ab und an mal einen Job, aber ich verdiene mehr Geld mit dem Verkauf von Obst und Altmetall«, sagte Joe.
»Dennoch«, schob Tante Al nach, »vielleicht habt ihr ja Glück, ich drück euch beide Daumen.«
Die nächsten zwei Tage verbrachten Liz und ich damit, in Byler von Haustür zu Haustür zu gehen. Die meisten Leute auf dem Hügel erklärten kleinlaut, dass sie in Zeiten wie diesen froh waren, wenn sie jeden Monat ihre Rechnungen bezahlen konnten. Sie konnten es sich nicht leisten, ihr schwerverdientes Geld dafür auszugeben, dass sie junge Mädchen Arbeiten verrichten ließen, die sie selbst erledigen konnten. Auch bei den nobleren Häusern auf der East Street und der Davis Street hatten wir nicht viel mehr Glück. Oft machten uns schwarze Frauen in Dienstmädchenkleidung die Tür auf, und manche von ihnen schienen überrascht, wenn sie begriffen, dass wir Arbeiten übernehmen wollten, die sie machten. Eine ältere Dame engagierte uns, ihren Rasen zu harken, aber nach zwei Stunden Arbeit gab sie jeder von uns bloß einen Vierteldollar, wobei sie auch noch so tat, als wäre sie übermäßig großzügig.
Am Ende des zweiten Tages erklärte Liz, sie wolle sich die Bibliothek von Byler anschauen, und ich radelte rüber zu den Wyatts, um Tante Al zu erzählen, dass unsere Jobsuche noch nicht viel gebracht hatte.
»Lass den Kopf nicht hängen«, sagte sie. »Und warte mal kurz. Ich hab eine Überraschung für dich.« Sie eilte den Flur hinunter, kam mit einer Schmuckschachtel zurück und stellte sie vor mich hin. Ich machte sie auf. Darin war ein sternförmiger Orden an einem kleinen rot-weiß-blauen Band.
»Charlie Wyatts Silver Star«, sagte sie.
Ich nahm den Orden in die Hand. Er war golden und hatte in der Mitte einen kleinen Kranz, der einen winzigen silbernen Stern umschloss. »Ein Kriegsheld«, sagte ich. »Hatte er viele Kriegsgeschichten zu erzählen?«
»Charlie hat gern und viel geredet, aber er hat nie großartig darüber gesprochen, wie er den Silver Star bekommen hat. Oder überhaupt über diesen verfluchten Krieg. Charlie hat den Stern nie getragen und ihn auch nie anderen gegenüber erwähnt. Er hat einen Kameraden gerettet, aber es gab so viele andere, die er nicht retten konnte, und das hat ihn belastet.«
Der kleine Earl, der neben Tante Al saß, streckte die Hand aus, und ich gab ihm den Orden. Er hielt ihn hoch und steckte ihn sich dann in den Mund. Tante Al nahm ihm den Stern weg, wischte ihn mit ihrem Geschirrtuch trocken und gab ihn mir zurück. »Onkel Clarence hat ihn als Erinnerung an seinen kleinen Bruder behalten. Aber jetzt gehört er dir.«
»Wenn er wichtig für Onkel Clarence ist, will ich ihn nicht haben«, sagte ich.
»Nein«, sagte Tante Al. »Wir haben drüber geredet, Clarence hat drüber nachgedacht und glaubt, Charlie würde wollen, dass sein kleines
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