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Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)

Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)

Titel: Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeannette Walls
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sie.
    Ich nickte. »Aber ich glaube, ich steig aus dem Pep-Team aus.«
    Sie drückte meine Schulter. »Ist wahrscheinlich besser so«, sagte sie.
     
    Bevor ich am Nachmittag auf dem Parkplatz in den Bus nach Hause stieg, umzingelten mich ein paar Jungs vom Hügel und fingen an, mich anzurempeln und so Sachen zu sagen wie: »Ich bin Jerry Maddox. Hast du Angst vor mir?« Eine Lehrerin bekam mit, was sie machten, sah aber weg. Joe Wyatt kriegte es auch mit und kam rüber.
    »Hallo, Cousine, wie läuft’s?«, sagte er. Dann sah er die Jungs an. »Ihr wisst doch wohl, dass sie meine Cousine ist, oder?«
    Die Jungs verdrückten sich, aber da ich ihretwegen meinen Bus verpasst hatte, bot Joe an, mich zu Fuß nach Mayfield zu bringen. »Manche Leute sind bescheuert«, sagte er.
    Wir gingen eine Weile schweigend nebeneinanderher. Es war ein frischer Novembernachmittag, und außerhalb der Stadt, auf der Straße nach Mayfield, konnte man den Holzrauch riechen, der aus den Schornsteinen der Farmhäuser stieg. »Wenn du über die Sache reden willst, kannst du das ruhig«, sagte er. »Wenn nicht, können wir über Esskastanien reden.«
    Inzwischen wollte ich alles andere als diesen ganzen Mist erneut durchkauen. »Reden wir über Esskastanien«, sagte ich.
    Um diese Jahreszeit müsse man unbedingt Kastanien sammeln, erklärte Joe. Die meisten Kastanienbäume waren während der großen Rindenkrebsplage abgestorben, aber er wusste, wo oben in den Bergen ein paar Exemplare überlebt hatten. Wenn er Esskastanien mit nach Hause brachte, röstete seine Mom sie über einem Feuer, das er in einem alten Ölfass machte. »Vielleicht sollten wir morgen losziehen und uns mit Kastanien eindecken«, sagte er.

36
    S eit wir vor vier Tagen bei der Polizei gewesen waren, hatte Liz keinen Fuß mehr vor die Tür gesetzt. Sie war sogar kaum aus dem Vogeltrakt gekommen, und ich hatte ihr Teller mit Ragout auf dem Silbertablett nach oben gebracht. Sie grübelte unentwegt darüber nach, ob es richtig gewesen war, Anzeige zu erstatten, ob das ganze Fiasko vielleicht ihre Schuld war, weil sie naiverweise gedacht hatte, sie würde ihr Geld zurückbekommen, wenn sie zu Mr Maddox in den Wagen stieg. Sie fragte sich, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn die Fliegelflagel uns in Lost Lake einkassiert hätten.
    »So darfst du nicht denken«, sagte ich.
    »Ich kann nicht anders«, sagte sie. »Ich kann meine Gedanken nicht kontrollieren.« Es fände eine derart hitzige Diskussion in ihrem Kopf statt, erklärte sie, dass sie das Gefühl habe, es würden verschiedene Stimmen für und gegen sie argumentieren. Eine Stimme riet ihr ständig, ein Stück von dem Iss-mich-Kuchen aus
Alice im Wunderland
zu essen, dann würde sie groß und stark werden, und die Leute bekämen Angst vor ihr. Eine andere Stimme empfahl das Trink-mich-Fläschchen von Alice – ein Schluck daraus würde sie so klein machen, dass keiner sie mehr wahrnahm. Sie wusste, dass die Stimmen nicht real waren, sie klangen aber so – wie richtige Stimmen eben.
    Liz und ihre Stimmen machten mir Sorgen. Ich hatte die ganze Zeit vergeblich versucht, Mom zu erreichen, aber ich dachte mir, sie würde wahrscheinlich sagen, es täte Liz gut, nach draußen zu gehen, frische Luft zu schnappen und einen klaren Kopf zu bekommen. Deshalb bekniete ich sie am Samstagmorgen, doch mit zu den Wyatts zu kommen, um Esskastanien zu sammeln.
    »Ich hab keine Lust«, sagte Liz. »Und mein Gesicht sieht immer noch zum Weglaufen aus.«
    »Ist mir egal«, sagte ich. »Du musst an die frische Luft.«
    »Ich will aber nicht.«
    »Dein Pech. Du kommst mit. Du kannst nicht ewig hier drin hocken.«
    Liz saß im Bett. Sie hatte noch ihren Schlafanzug an. Ich holte Sachen für sie aus der Kommode, warf sie ihr rüber und schnippte mit den Fingern, damit sie in die Gänge kam.
    Onkel Tinsley war froh, als er sah, dass Liz aufgestanden war und sich angezogen hatte. Zur Feier des Tages öffnete er eine Dose Wiener Würstchen und servierte sie zu unseren pochierten Eiern. Nach dem Frühstück fuhren wir auf den Schwinns rüber zum Hügel. Tante Al war wie immer in der Küche. Sie hatte einen Topf Maisgrütze auf dem Herd und rieb gerade Käse hinein. Als sie uns sah, umarmte sie uns kräftig und bot uns Grütze an. Liz sagte, wir hätten schon gefrühstückt, und sie wäre satt.
    »Ich könnte noch ein bisschen vertragen«, sagte ich.
    Tante Al lachte und reichte mir einen Teller.
    »Ich hoffe, du weißt, dass ich deine

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