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Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)

Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition)

Titel: Die andere Seite des Himmels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeannette Walls
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hinauf, die sich zum Himmel reckten. »Was denkst du?«
    »Wie traurig es für den Baum gewesen sein muss, all die Jahre hier zu stehen, während der Krebs seine Brüder und Schwestern tötete«, sagte sie. »Meinst du, er hat sich gefragt, warum er der einzige Überlebende war?«
    »Bäume fragen sich nichts«, sagte Joe. »Die wachsen bloß.«
    »Na ja, das wissen wir nicht genau«, sagte Tante Al. »Aber eines weiß ich genau: Sich zu fragen, warum man überlebt, hilft einem nicht zu überleben.«
    Der Wald war still. Nur dann und wann huschte ein Eichhörnchen durchs Gebüsch und wirbelte das feuchte Laub auf. Wir gingen alle auf die Knie und begannen, Kastanien zu sammeln.

37
    A m Montag sah Liz’ Gesicht schon wieder deutlich  besser aus, und Onkel Tinsley und ich beschlossen, dass sie wieder zur Schule gehen sollte, auch wenn sie dagegen war. Es tat ihr nicht gut, immer nur im Vogeltrakt zu hocken, zu grübeln und auf die Stimmen in ihrem Kopf zu lauschen.
    An dem Morgen brauchte Liz Ewigkeiten, um sich anzuziehen. Sie bewegte sich wie unter Wasser, zog Socken an und dann wieder aus, sah ihre Blusen durch und sagte, sie könne die eine, die sie anziehen wolle, nicht finden. Ich fürchtete, wir würden den Bus verpassen, deshalb drängte ich sie zur Eile und sagte, sie würde rumtrödeln, aber sie behauptete, schneller ginge es nun mal nicht. Tatsächlich verpassten wir den Bus, und da Onkel Tinsley strikt dagegen war, Benzin für unnötige Autofahrten zu verschwenden, entschieden wir uns, zu Fuß zu gehen. Als wir eintrafen, hatte der Unterricht schon angefangen, und wir bekamen beide einen Verweis fürs Zuspätkommen – unseren ersten.
    Ich hatte Liz nicht erzählt, dass ich gehänselt worden war, seit sie die Anzeige erstattet hatte. Das hätte ihr nur noch einen Grund mehr geliefert, nicht wieder zur Schule zu gehen. Als wir den Flur hinuntergingen, machten alle einen großen Bogen um sie, wichen aus und schauten weg. Mädchen, die sie bislang ignoriert hatten, tuschelten jetzt extra so laut, dass sie es hören konnte. Manche stießen kleine spitze Schreie aus und sagten so Sachen wie: »Achtung, sie kommt!«, und: »Die irre Liz!«, und: »Nix wie weg hier!« In der Mittagspause marschierten einige von ihnen im Gänsemarsch hinter ihr her und ahmten ihren Gang nach, während die anderen Mädchen hinter vorgehaltener Hand losprusteten und sich schlapplachten.
    Am Abend witzelte Liz, sie fühle sich wie Moses, der das Rote Meer zerteilt, aber es war schrecklich. Ihr graute zunehmend vor der Schule, und jeden Morgen musste ich sie aus dem Bett zerren und mit Engelszungen auf sie einreden, damit sie sich anzog. Doch mit jedem Schultag wurde es für sie nur noch schlimmer. Die anderen Mädchen machten sich offen über sie lustig, äfften ihre Stimme nach und stellten ihr ein Bein, wenn sie an ihnen vorbeiging.
    Am Ende der Woche lief ich Lisa Saunders über den Weg, die auf einem Treppenabsatz mit ein paar anderen Mädchen zusammenstand. Lisa war eine der Cheerleaderinnen, die das Team demonstrativ verlassen hatten, als Schwarze in die Footballmannschaft gekommen waren. Sie hatte eine knochige Nase und trug ihr blondes Haar zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden. Ihrem Vater gehörte die Chevy-Niederlassung, und sie war eine der wenigen Schülerinnen, die ein eigenes Auto hatten. Wenn sie nicht mit ihrem Freund zusammen war, der ständig einen Arm um sie gelegt hatte, war sie von anderen Mädchen umringt, die verschwörerisch tuschelten.
    Lisa hatte einen Packen hektographierter Blätter in der Hand, die sie an die Schüler auf der Treppe verteilte. »Hier, Bean, ich nehme Anträge für Freundinnen an. Füll einen aus, wenn du willst.«
    Es waren mehrere zusammengeheftete Blätter. Die Überschrift lautete »Antrag auf Freundschaft«, und das Ganze sah aus wie ein Test mit Fragen, deren Antworten man ankreuzen oder eintragen musste. Die meisten waren ziemlich normal: »Was ist deine Lieblingsserie?«, »Welches Auto (Marke/Modell/Farbe) hättest du gern?« Aber andere waren auch ganz schön frech, wie zum Beispiel: »Welche/r Lehrer/in sollte am ehesten rausgeschmissen werden?« oder »Mit wem in deiner Klasse würdest du unter keinen Umständen knutschen?«. Ich hörte Lisas Freundinnen kichern, aber ich verstand nicht, wieso, bis ich die letzte Seite aufschlug. Die Abschlussfrage war:
    Wenn ein Junge sich mit Liz Holladay verabredet, was sollte er zum Schutz mitbringen?
    Ein Gummi
Ein Stück Seife
Eine

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