Die Anderen - Das Erbe erwacht (German Edition)
zurückkam, Platz nahm und sich wieder seinem Essen widmete. „Unheimlich“, kommentierte Max und meinte schmunzelnd: „Vielleicht habt ihr Geister im Haus?“ „Nicht, dass ich wüsste“, gab Angelika ernst zurück und Max zog überrascht die Augenbrauen hoch, zog es allerdings vor, nicht weiter nachzufragen. Es gab einiges, was er nicht genau wissen wollte. Alle drei beendeten ihre Mahlzeit recht schweigsam, hatten mit einem Mal das Gefühl, etwas Bedrohliches wäre in Gang gekommen, etwas, was bald schon jeden von ihnen betreffen würde.
Russell war sehr zufrieden. Er hatte nun einen Anhaltspunkt und würde jetzt dem Ladenbesitzer einen Besuch abstatten. Wenn dieser die Adresse des jungen Mannes hatte, konnte er vielleicht endlich die Anderen informieren. Mit leeren Händen vor sie zu treten käme seinem Todesurteil gleich, also besser, alle Informationen sammeln, die er bekommen konnte. Thubal würde wissen, was zu tun war. Russell lächelte in sich hinein. Dave würde bestimmt wieder normal werden, sobald der Mensch aus dem Weg geräumt war und das Geschlecht der Mirjahns wäre damit endgültig von der Erde getilgt. Die Anderen würden ihm dankbar sein, dass ihre größte Gefahr vernichtet werden würde, und würden ihm endlich Respekt erweisen, ihn vielleicht sogar als einen der ihren anerkennen.
Zunächst musste er jedoch zurück in die Stadt kommen. Leider fuhr in dieser Einöde der Bus erst in zwei Stunden, wie er nach einem Blick auf den Fahrplan heraus fand. Zwei Stunden! Missmutig starrte Russell auf das kleine Bushäuschen. Er steckte zwei Stunden in diesem elendigen Dorf fest und langsam bekam er wirklich Hunger.
Der Herbst kam schneller heran als gedacht, mit auffrischendem Wind, der die Blätter von den Bäumen trieb. Zu allem Überfluss hatte es auch noch zu regnen begonnen, ein leichter Nieselregen, der in einen echten Landregen überging. Die Luft war voller feiner Tropfen, die sich wie ein Nebel über alles legten.
Eine halbe Stunde ohne Mantel im spärlichen Schutz des viel zu zugigen Bushäuschens hatte ausgereicht, um Russells teuren Anzug völlig zu durchnässen. Seine Laune hatte sich im gleichen Maße dramatisch verschlechtert. Nicht nur, dass er zwei Stunden in der fragwürdigen Idylle dieses Dorfes mit seinen überaus zweifelhaften Gerüchen aushalten musste, bis endlich der Bus kam. Dieser war zudem so voll gewesen, dass die Menschen aus Platzmangel sogar ihm auf die Pelle gerückt waren. Seine gesamte dämonische Ausstrahlung hatte nichts genutzt, er war dennoch um ein Haar von einem übergewichtigen, stark nach Schweiß und Kuhstall stinkenden Mann erdrückt worden. Darunter hatte Russells empfindlicher Geruchssinn gelitten, wie unter der Tatsache, dass er seit nunmehr fünf Tagen nichts gerissen hatte. Sein Hunger wuchs stündlich, wie seine Wut auf diese dummen, stinkenden Menschen ringsum. Mühsam hatte er sich zurückhalten müssen, sich nicht durch ein Aufblitzen seiner scharfen Zähen zu verraten.
Es war Abend, als er endlich in Lüneburg am Rathausmarkt stand und zu dem Buchladen hinüber blickte, in dem noch das Licht brannte. Der Laden würde erst um 18 Uhr schließen und Russell verfluchte die restliche Zeit, die er in seiner nassen Kleidung hier stehen musste. Es waren allerdings noch Kunden im Laden und er wollte den Ladenbesitzer alleine befragen, dafür konnte er keine Zeugen gebrauchen.
Verflucht, er hatte sich schon lange nicht mehr so schlecht gefühlt, viel zu menschlich! Wütend rieb er sich über die Arme. Er fror und zudem war das Wasser mittlerweile in seine teuren Schuhe gelaufen. Das Leder hatte sich verzogen und das war mehr als ärgerlich, denn er hatte sehr große Füße und die Schuhe waren eine Maßanfertigung gewesen. Nach diesem Ausflug konnte er sie im Müll entsorgen. Russell verzog wütend den Mund. Wie lächerlich, dass er sich über so menschliche Dinge wie ein Paar Schuhe aufregte. Auch darüber ärgerte er sich. Er war viel zu menschlich!
Und alles nur wegen Dave. So viel konnte er sich dem Dämon gar nicht verpflichtet fühlen, dass er sich hier nass, frierend und hungrig in dieser dämlichen Provinzstadt die Füße in den Bauch stand. Was auch immer dieser Mirjahn mit Dave angestellt hatte, Russell würde ihn dafür bezahlen lassen, schwor er sich zornig.
Eine Stunde später war er noch wütender, noch nasser und extrem hungriger. Russell trat entschlossen aus den Schatten hervor und huschte zum Laden hinüber. Es gelang ihm,
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