Die Anderen - Das Erbe erwacht (German Edition)
lange. Sie sollten sich zu Hause gut ausruhen“, gab seine Retterin gute Ratschläge, musterte ihn noch immer so, als ob er ihr gleich wieder zusammenbrechen würde. Nicht ganz abwegig.
„Ja“, antwortete Finn einsilbig. Seine Gedanken schienen noch immer viel zu weit weg zu sein, um sich mit etwas so Banalem wie einem Gespräch aufzuhalten.
Er war vor etwas davon gelaufen. Einem Gefühl, vage Bilder …
„Trainieren Sie für einen Marathon?“, riss ihn ihre neugierige Stimme seiner Retterin aus den Gedanken.„Was? Äh, nein“, sagte Finn. „Ich laufe nur so. Zum … Vergnügen.“
„Nun, Sie sollten auf jeden Fall nicht so viel machen. Sie haben sich bestimmt übernommen. Da spielt der Körper irgendwann eben nicht mehr mit. Vielleicht sollten Sie auch mehr essen? Sie sehen für Ihre Größe ganz schön dünn und blass aus“, bemerkte sie und Finns Verstand seufzte: Sag ich doch. Besorgte Mutti.
„Studieren Sie denn in Lüneburg?“, erkundigte sie sich im Plauderton. Finn seufzte innerlich, antwortete jedoch mechanisch, denn das hielt ihn auch vom Denken ab, bis das Taxi kam. „Ja. Tue ich.“
„Sehen Sie, habe ich mir doch gedacht. Nun ja, bei 70.000 Einwohnern sind mindestens 10.000 Studenten, da war das nicht schwer darauf zu schließen, oder? Sie sind aber noch recht jung, oder?“, setzte sie ihre Befragung munter drauflosplappernd fort.
Eigentlich war es Finn ein wenig lästig, zu antworten, andererseits war es ihre Stimme, die ihn daran hinderte, sich mit etwas auseinanderzusetzen, vor dem er instinktiv Angst hatte. Etwas war passiert, weswegen er jetzt hier war. Er war weggelaufen. Vor einem Schmerz weggelaufen. Stimmt, daran konnte er sich schwach erinnern. Was war davor passiert?
„Ja“, antwortet er einsilbig und als Universalantwort genügte das auch. Die Frau befragte ihn weiter, erkundigte sich nach Banalitäten, bis ihn endlich die Ankunft des Taxis rettete. Finn bemerkte nun erst, dass er fror. Er hatte seinen Körper heute definitiv über die Grenze getrieben und hatte nun die Quittung erhalten.
Mit zittrigen Knien stieg er in das Taxi ein, brachte noch ein: „Danke“ hervor und gab dem Fahrer die Adresse an, bevor er sich in die Polster sinken ließ.
„Erholen Sie sich gut“, rief ihm die Frau hinterher, „Und essen Sie mehr.“
Die ist bedeutend fürsorglicher als deine eigene Mutter, bemerkte Finns Verstand sarkastisch, schwieg jedoch, als die innere Stimme ihm einen gehörigen Schlag in den Magen verpasste. „Alles okay mit Ihnen?“, erkundigte sich nun auch der Taxifahrer. „Sie sehen sehr blass aus.“
„Habe mich übernommen“, antwortete Finn mürrisch und kuschelte sich regelrecht in die Sitze. Der Schmerz war da, pocht in ihm und als er seufzend die Augen schloss, war der Grund dafür plötzlich, ohne jede Vorwarnung, präsent.
Dave!
Dave war gegangen. Dave hatte ihn verlassen! Deshalb war er gelaufen. Deshalb hatte er versucht zu vergessen. Offensichtlich erfolglos, kommentierte sein Verstand nüchtern. Ja, offenbar erfolglos, seufzte auch seine innere Stimme.
Neue Tränen stiegen hinter Finns geschlossenen Augenlidern auf, brannten wie Säure. Mühsam hielt er sie zurück, presste die Augenlider fester aufeinander. Ich werde ganz bestimmt nicht vor dem fremden Mann das Heulen anfangen! Nein, so tief sinke ich nicht, schwor er sich. Zu meinem Glück denkt der Taxifahrer, ich bin deshalb so still, weil ich völlig fertig bin. Nun ja, bist du ja auch, analysierte sein Verstand, währen die innere Stimme nur jammerte.
Es schmerzt. Es schmerzt noch immer. Es wird ewig schmerzen, versprach ihm seine innere Stimme und Finn verfluchte sie, verfluchte seinen schwachen Körper und sich, dass er sich so kraftlos fühlte. Ein Mann sollte sich nicht so fühlen. Ein echter Mann sollte stolz und erhobenen Hauptes durchs Leben schreiten und nicht jemandem hinterher heulen, der unerreichbar war. Der dich nur ausgenutzt hat , erinnerte ihn sein Verstand ermahnend.
Nein, nein! Er war zärtlich, so liebevoll, wandte seine innere Stimme ein und Finn war versucht zu nicken. Alles Berechnung! Mann, begreife es doch, Finn, schrie ihn sein Verstand mit seiner Geheimwaffe, der Stimme der Vernunft, an. Dave wollte dich nur ins Bett bekommen. Du bist sogar freudig vorweggehüpft! Nun bist du selbst schuld, wenn du in Herz-Schmerz-Leiden verfällst.
„Fliederstraße 15. Wir sind da“, erklärte der Taxifahrer und riss Finn abrupt aus seinem inneren Disput. „Oh!
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