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Die Anderen IV - Der Weg aus der Dunkelheit (German Edition)

Die Anderen IV - Der Weg aus der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Die Anderen IV - Der Weg aus der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris P. Rolls
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eine kurze Zeitspanne an seinem eigenen Leben gemessen. Er schloss die Augen, genoss das Gefühl des Windes in seinem Gesicht, wie er an ihm zerrte, fühlte das leichte Flattern seiner Flügel, wenn der Wind sie erfasste, ihn aufzufordern schien, auf ihm zu fliegen.
    Unmittelbar vor ihm ging es in die Tiefe und er spürte den Sog, der ihn lockte seine Flügel auszubreiten und sich einfach fallen, mitnehmen, treibenzulassen. Unter ihm lebten die Menschen ihr bedeutungsloses Leben, lebten viel zu kurz, um die großen Veränderungen wahrzunehmen, die ringsum geschahen. Jeden Tag ein bisschen, nur im Lauf der Jahrtausende wirklich zu erkennen.
    Er hatte sie erlebt. Er hatte gesehen, wie aus den kleinen Häuseransammlungen mehr wurde, wie sie zusammenwuchsen, zu dieser Stadt wurden. Wie Haus um Haus entstanden war, wie Straßen angelegt, der Wald immer mehr gerodet worden war, um Platz für mehr Menschen zu schaffen. Menschen, die ihre Umgebung verändert hatten. Zu Füßen der Fluchtburg war der ehemalige Burgflecken langsam mit dem Dorf Modestorpe an der Brücke über die Ilmenau zusammengewachsen und auch die Siedlung, in der die, in der Saline Beschäftigten arbeiteten, war nach und nach in die Ortschaft Luniburc übergegangen.
    Menschen schafften Veränderungen über die Jahrhunderte und Jahrtausende. Keiner von ihnen lebte jedoch lange genug, sie zu erleben.
    Der Dämon schnupperte in die Luft und nahm den Geruch des Waldes wahr, ebenso wie den der Autos, der Gärten weiter hinten und der sandigen Felder. Gleichzeitig roch er den erdigen Duft von Möhren, Spargel und anderen Gemüsefeldern ringsum Bardowick und die vielen unterschiedlichen Gerüche der Menschen in der Stadt und im Umland.
    Hluini, der langobardische, Glain, der polabische Name. Luniburc und schließlich Lunaburgum. So viele Namen für denselben Ort, so viele tote Menschen, die die Gegend geformt hatten.
    Daves Blick schweifte hinüber nach Bardowick, dessen Dom man gut sehen konnte. Von dem großen Turm der Fluchtburg hatte er damals einen ähnlich weiten Blick über die Landschaft gehabt. Dave lächelte, wenn er an seine Vergangenheit dachte. Das damalige Lüneburg war eher unbedeutend gewesen, im Vergleich zum viel größeren, nur wenige Kilometer nördlich gelegenen Bardowick. Erst als dieses von Heinrich dem Löwen zerstört worden war, weil es sich geweigert hatte, sich ihm unterzuordnen, war Lüneburg zu der Hansestadt, als die es später berühmt werden sollte, aufgestiegen.
    Das dämonische Gesicht verzog sich. Seine Gedanken kehrten zu der damaligen Zeit und vor allem zu Thubal zurück. Dieser dumme Dämon. Damals wie heute war es ein Machtkampf zwischen ihnen gewesen. Auch damals hatte er Menschen in die Angelegenheiten der Dämonen hineingezogen. Geschichte schien sich irgendwie immer zu wiederholen.
    Dave seufzte tief, schloss die Augen erneut und versank kurzfristig in seinen Erinnerungen ...
    Der Wind nahm deutlich zu, während der Tag fortschritt. Hier oben spürte man ihn natürlich stärker, was Dave durchaus gefiel. Der Wind war sein Element.
    Hinter ihm murmelte Finn im Schlaf. Dave wandte sich von dem Blick in die Tiefe ab, trat zurück und blickte nachdenklich auf den jungen Mann hinab, der noch nicht wieder zu sich gekommen war. Es hatte ihn und den letzten Mirjahn nach Lüneburg verschlagen. Eine Laune des Schicksals? Vermutlich nicht. Vielleicht hatte Finns Erbe ihn hierher gezogen? Es gab viele Geheimnisse, die gelöst werden wollten, viele Fragen, die auf Antwort warteten.
    Dave lächelte fein, lauschte den ruhigen Atemzügen des Menschen, beobachtete, wie sich die Lippen bewegten, und betrachtete liebevoll das jugendlich männliche Gesicht mit dem Ansatz von Bartschatten. Wieso war gerade dieser eine Mensch so speziell? Viele Menschen hatte er getroffen; manche waren ihm auf die eine oder andere Art aufgefallen, aber niemals so wie Finn. Tief sog Dave dessen Geruch ein und kniete sich schließlich neben die schlanke Gestalt auf den harten Beton.
    Finn lag mit angewinkelten Beinen halb auf dem rosa geblümten Bettbezug. Der größte Teil seiner Wunden hatte sich geschlossen und neue, helle Haut hatte sich gebildet. Daves zärtlicher Blick glitt über das, im Schlaf jungenhaft wirkende Gesicht mit den lockigen hellbraunen Haaren und blieb an dem Siegel hängen, welches dieser um den Hals trug.
    Die Waffe seines Feindes.
    Finns Gesicht war im Prinzip nicht besonders schön oder gar außergewöhnlich. Er war kein Mann, der

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