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Die Angst der Boesen

Die Angst der Boesen

Titel: Die Angst der Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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einen Filmriss zu haben.
    »Sven?«
    »Das ist auch nicht so.«
    »Was?«
    »Dass ich vor irgendwem Schiss hab. Das geht gar nicht.«
    »Also, mal ganz ehrlich«, sagte Lilly grinsend und warf den Kopf zurück, »ich würde jetzt wirklich gern wissen, was sie dir heute Morgen in den Kaffee getan haben.«
    »Nix«, antwortete Sven, »höchstens Glücksklee oder wie das heißt, denn du sitzt ja wieder neben mir.«
    Und mit diesen Worten küsste er sie, so überraschend und heftig, dass sie sich gar nicht sträuben konnte – und ausgerechnet in dem Moment, als Levent mal wieder ein Foto schoss und Paul sich von den vorderen Sitzen zu ihr umdrehte.
17
    Du weißt nie, wann Feierabend ist.
    Das weißt du nicht. Das kann schon morgen sein. Oder heute.
    Besonders wenn du so ’n armes Schwein bist wie ich, kann’s dich ganz schnell erwischen. Gerade noch liegst du gemütlichzwischen den abgestellten Güterwaggons in der Frühlingssonne und guckst in den Himmel – schon bist du auf dem Weg nach oben.
    »Was machen Sie denn da?«, hat die Oma ausgerufen, die mich früh um sechs auf dem Friedhof gefunden hat. War wahrscheinlich auch im Igelschutzverein. Saubere Witwe mit Gießkanne, eifrige, fleißige Frühaufsteherin, aber ohne Hirn, ohne Herz.
    Weißt du, wie viele Leute ohne Herz rumlaufen? Glaubt man nicht. Könntest denen die Brust durchleuchten und würdest sehen, dass da nichts drin ist. Jedenfalls sagt die: »Schämen Sie sich nicht, hier Ihren Rausch auszuschlafen und alte Leute zu erschrecken?«
    Sagt die eiskalt zu mir. Sagt’s und rafft nichts. Gerd, der hat’s gerafft, als ich’s ihm vorhin erzählt hab. Der weiß, dass da, wo ich heut Morgen noch drin war, keiner freiwillig reingeht. Nicht mal einer, der sich umbringen will, so wie der Kumpel von mir, der Rattengift geschluckt hat, nicht mal einer, der sich selbst hasst, würde sich freiwillig zum Sterben da reinlegen.
    Gerd hat verstanden, warum mir das den Rest gegeben hat. Rippenbrüche, rausgehauene Zähne, rote Striemen, blaue Flecken – das kenne ich alles von zu Hause, das wegzustecken ist kein Problem, darin hab ich Übung. Aber irgendwo ist auch bei mir die Grenze. Irgendwann ist Feierabend. Jetzt will ich nicht mehr.
    Gerd ahnt, was kommen wird, und deshalb ist er mächtig sauer auf die fünf kleinen Arschlöcher. Gruselig, wie sauer der ist!
    Ich hab richtig Angst vor Gerd, obwohl er ja theoretisch nicht auf mich wütend ist. Trotzdem möchte ich ihm grad nicht in die Finger fallen. Hab ich schon als Kind möglichst vermieden. Wenn Gerd nämlich so dermaßen die Hasskappe aufhat, kann man sich warm einpacken. Die fünf kleinenArschlöcher haben seinen Plan durchkreuzt. Gerd muss denken, die haben mich ihm absichtlich weggenommen, damit er kein guter Mensch werden kann. Böse Falle. Denn Gerd lässt sich nicht ungestraft was wegnehmen. Schon gar nicht seine Ziele, egal wie abwegig die sind. Anstelle der fünf kleinen Arschlöcher würde ich jetzt schleunigst zusehen, dass ich Land gewinne.
    Was hab ich früher eine Angst gehabt, wenn ich was angestellt hatte! Oder wenn ich einfach nur so wusste, dass Gerd innerlich am Kochen ist. Gründe hat’s dafür gar nicht gebraucht.
    Im Keller hab ich mich versteckt, hinter Kisten und Kästen, in meinem Zimmer hab ich mich eingeschlossen, aber er hat mich immer gefunden, hat die Kisten zur Seite gestoßen, die Tür eingetreten, den Hund, der mich beschützen wollte, mit ’nem Knüppel kaltgemacht. Dabei war das ein kleiner Hund, Pucki hieß er, hätt eh nichts machen können mit seinen Mausezähnchen. Jahrelang hab ich noch den Blutfleck von Pucki vor meinem Bett gesehen.
    Scheiße, was heul ich jetzt, ist doch schon so lange her, Puckis krachender kleiner Schädel. Was schwitz ich so und bibber gleichzeitig, brauch ich doch nicht: Gerd ist nicht da.
    Er ist nicht da, er ist nicht da, er ist nicht da, er ist nicht da.
    Ich entspanne mich.
    Ich guck in den Himmel. Schön. Wenn man sich was eingepfiffen hat, so wie ich, merkt man nicht, wie einem die Luft ausgeht. Dann ist man einfach froh, dass endlich mal Feierabend ist. Ich seh den Kondensstreifen von ’nem Flieger, der nimmt mich mit ins weite Blau.
    Aber – und das würd ich den fünf kleinen Arschlöchern jetzt gern noch sagen – aber wenn du nur so ’n halbes armes Schwein bist, so fast unten, also noch nicht ganz unten wie ich, sondern nur halb, und wenn du deshalb meinst, du kannstdie, die ganz unten sind, prügeln und treten und wie Dreck

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