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Die Angst der Boesen

Die Angst der Boesen

Titel: Die Angst der Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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laute Schluckgeräusche,dann Martins etwas gekräftigtere Stimme: »Im Moment bin ich also wieder flüssig. Hundert Euro haben sie springen lassen.« Er rief: »Habt Erbarmen! Betet für die Armen!«
    Kein Zweifel, dachte Gerd frustriert, mit Schnaps hat er sich schon versorgt.
    »Unterm Wasserschlauch im Garten durft ich mich waschen. Ins Haus keinen Schritt rein.« Martin ahmte die Stimme von Maries Vater nach: »Und nicht in mein Auto! Kannst zum Krankenhaus laufen, oder da, nimm dir ein Taxi. Besser, du verschwindest! Verschwinde! Du stinkendes Stück Dreck, du.«
    »Sag mir endlich, wo du bist«, rief Gerd herrisch.
    Die nächste Antwort ließ so lange auf sich warten, dass er fürchtete, Martin wäre einfach umgekippt.
    »Sorry, aber das geht nicht.« Martin trank ein paar Schlucke. »Ich bin hier ganz nah an ’nem ruhigen Platz, wo mich keiner findet. Hab hier im Bahnhof gerade eben ’nen Bekannten von früher getroffen, hat mir ’n bisschen was verkauft. Ich muss abschalten, die Arschlöcher vergessen, gucken, dass ich die Schmerzen loswerd. Ich weiß, ich bin da ja eigentlich drüber weg, aber jetzt brauch ich das noch mal.«
    »Nein, das brauchst du nicht! Das darfst du mir jetzt nicht antun«, rief Gerd, während er wendete. Zumindest wusste er jetzt, in welche Richtung er fahren musste. »Abschalten kannst du bei mir. Ich besorge uns ein Hotelzimmer. Du kannst duschen oder erst mal schlafen, in einem richtigen Bett. Und dann bring ich dich zu einem Arzt.«
    »Marie schläft auch nicht mehr im Bett. Und ’n Arzt hilft mir auch nicht mehr.«
    »Martin, bitte. Jetzt helfe ich dir. Früher hab ich Fehler gemacht, aber jetzt mache ich keine mehr. Ich werde dir helfen. Wir haben es so vereinbart. Daran wirst du dich auch halten.«
    »Ich kann nicht«, kam die leise Antwort, »ich schäm mich so.«
    Was er dann noch alles erzählte, schockte Gerd so, dass er den Motor abwürgte, mitten auf der Straße.
    Als er fertig war, fragte Martin: »Das verstehst du jetzt, ja?«
    »Ja.« Er verstand es. »Ja.« Wenn er auch wenig in seinem Leben bisher verstanden hatte – besonders wenn es um die Gefühle seines Sohnes ging –, das hier leuchtete ihm ein.
    Gerd brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. Erst dann startete er wieder den Motor. »Ich bin unterwegs.«
    »Die lassen mich gar nicht ins Hotel.«
    »Doch. Ich regele alles für dich, bitte.« Er flehte jetzt. Das hatte er noch nie getan. Betteln war was für Weicheier. »Vertrau mir.«
    »Ich kann nicht. Konnte ich ja auch früher nicht, warum jetzt?« Sein Sohn weinte.
    Gerd weinte mit und der Wagen schlingerte über die Straße, direkt auf ein Kind zu, das auf die andere Seite wollte. Gerd sah es erst spät, musste scharf bremsen und verlor dabei das Handy. Es fiel in den Fußraum, rutschte unter den Beifahrersitz.
    Als er endlich angehalten und das Telefon wiedergefunden hatte, war die Verbindung abgebrochen. Entweder hatte Martin aufgelegt oder sein Kleingeld war aufgebraucht.
    Jetzt hieß es schnell sein. Es ging um alles, nicht nur für Martin, auch für ihn. Zurück vom Außenbezirk in die Innenstadt. Er raste durch den mittlerweile erwachten Stadtverkehr und kämpfte gegen die Tränen an.
    Als ihn die dritte rote Ampel zum Halten zwang, drückte er, ohne darüber nachzudenken, Martins Handynummer.
    Wahrscheinlich genauso gedankenlos nahm am anderen Ende jemand ab. Eine männliche Stimme ohne Akzent, barsch und Gerd wohlbekannt vom gestrigen Horrortelefonat.
    »Ja?«, fragte Sven und dann noch einmal, ärgerlich: »Ja?!«
    Gelb. Gerd gab Gas.
    »Wenn er stirbt, bringe ich euch um. Ich werde euch finden und euch alle umbringen. Und du, kleines Arschloch, wirst der Erste sein.«
16
    Lilly bekam einen Lachanfall, als Sven plötzlich zuckte wie von der Tarantel gestochen, laut »Fuck!« fluchte und sein Handy durch die halb offene Tür des anrollenden Busses ins Gebüsch neben der Jugendherberge warf.
    »Tickst du noch ganz sauber, Junge?«, fragte Herr Gralla, der durchgezählt hatte und gerade bei ihnen im Gang stand, aber Sven antwortete nicht. Er ließ sich auf einen freien Sitz fallen und verschränkte knurrig die Arme vor der Brust. Spontan drückte Lilly sich an dem Lehrer vorbei und pflanzte sich auf den Platz neben Sven.
    »Irgendwie hab ich mal wieder Lust, neben meinem Ex zu sitzen«, sagte sie forsch und musste sich den Mund zuhalten, um nicht wieder loszuprusten. »Was hast du dir für ’ne Droge in deinen Kaffee gemischt, dass du dein neues

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