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Die Angst der Boesen

Die Angst der Boesen

Titel: Die Angst der Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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worden.«
    Nolte stieß einen Überraschungslaut aus. Seine Augenwurden erst groß, dann schmal. Misstrauisch fixierten sie Paul. »Dein Freund?«
    Hatte der Neue schon mitgekriegt, dass Paul schwul war? Das ging ihn nun wirklich nichts an.
    »Nein, nicht mein Freund«, antwortete Paul automatisch. »Meine Freundin ist auch dort. Sie hat ihn gefunden, steht unter Schock. Leon ist ein Mitschüler, ein Kumpel, also vielleicht irgendwie auch ein Freund, wenn Sie’s so nennen wollen.«
    Nolte grinste. »Man weiß nie, wer Freund ist und wer Feind.«
    »Ach, doch«, murmelte Paul, unsicher, wie er das verstehen sollte. Auf jeden Fall schien es Nolte nicht zu interessieren, ob der Sohn seiner Vermieterin homosexuell war oder nicht. Was er jetzt vorschlug, war auch einfach nur praktisch und nett: »Komm, ich fahre dich zum Krankenhaus. Dein Fahrrad packen wir in den Kofferraum. Du wirst sicher schnell deine Freundin trösten wollen.«
    Das Angebot war zu verlockend. Das Krankenhaus lag am anderen Ende der Stadt, mit dem Rad bedeutete das gut fünfundzwanzig Minuten – und ein langes Stück bergauf. »Das wäre natürlich super, wenn Sie mich hinbringen würden. Macht Ihnen das nichts aus?«
    »Überhaupt nicht«, antwortete Nolte entschlossen, schnappte sich das Rad und trug es die Stufen hoch. »Zufällig habe ich gerade mein Auto durch die Waschstraße gefahren – als ob ich geahnt hätte, dass ich heute noch jemanden befördern muss.«
    Paul folgte ihm in den Hof.
    Im Nu war die Rückbank runtergeklappt und das Rad verschwand im Kofferraum. Aus dem drang der gleiche muffige Gestank, den er in Noltes Wohnung gerochen hatte. Schmutzige Wäsche, schimmeliger Käse, tote Ratten?Ziemlich widersprüchlich, dachte Paul – außen hui, innen pfui, oder wie?
    Nolte knallte die Klappe zu, schob ihn zur Beifahrertür und öffnete sie schnell. »Guck nicht so genau hin! Ich hatte heute einen Blechschaden. Hab auf dem Parkplatz einen anderen Wagen touchiert. Momentan hab ich eine Pechsträhne.«
    Der feste Druck, mit dem der Mann ihn ins Auto bugsierte, gefiel ihm nicht. Eine Sekunde lang widerstrebte es Paul einzusteigen.
    Nolte ging um das Auto herum. Er musste sich eine ordentliche Beule eingefangen haben, denn auch die Motorhaube sah beschädigt aus. Er stieg ebenfalls ein und startete den Motor.
    »Das Krankenhaus... «, sagte er und sah Paul an, »da muss ich links Richtung Innenstadt und dann den Berg hoch?«
    »Genau.« Paul entspannte sich wieder. In ein paar Minuten wäre er bei Lilly.
49
    Lilly war froh, dass Tatjana sich beruhigt hatte und nun vor Erschöpfung fast einschlief. Sie hatte trotz der kleinen Auseinandersetzung ihren Kopf auf Lillys Schoß gelegt. Während Lilly ihr mechanisch über den Rücken strich, registrierte sie mit Erleichterung, dass es im Warteraum insgesamt entspannter geworden war. Vielleicht war auch nur sie ruhiger geworden, nachdem Jan-Oliver sich noch einmal per Handy gemeldet und, als er vom Stand der Dinge erfahren hatte, sogar angeboten hatte vorbeizukommen. Das jedoch wollte Lilly nicht. Sie freute sich, aber sie hatte auch ihren Stolz.
    Die Yilmaz hatten die Köpfe zusammengesteckt und unterhielten sich auf Türkisch. Levent, der neben Lilly saß, übersetzte ihr kurz, dass Ilkay ins künstliche Koma versetzt worden war. Wenn er daraus nicht bald erwachte und sein Gehirn noch weiter anschwoll – so in etwa hatte die Familie die medizinische Situation verstanden −, sah es übel aus. Ilkay konnte bleibende Schäden zurückbehalten, würde vielleicht für immer ein Leben als Behinderter führen müssen.
    »Sein Vater hat ihm sogar noch gesagt, dass er nicht weggehen soll«, teilte Levent Lilly mit. »Klar«, fügte er so leise hinzu, dass nur sie es hören konnte, »meine Eltern sind zwar nicht so konservativ wie Ilkays, aber sie sehen es auch nicht gern, dass ich mich mit Deutschen aus dem Viertel treffe.«
    »Als ob wir jetzt schuld wären, nur weil Sven war, wie er war«, zischte Lilly beleidigt.
    »Ihr seid halt nicht gut für uns.« Levents Ton sollte nach Spaß klingen, aber Lilly mochte solche Späße nicht.
    »Die Türken, die hier gewalttätig sind, sind es aus freien Stücken und sie sind mindestens genauso aggressiv wie die Deutschen. Da sehe ich keine Unterschiede, Levent. Arschloch ist Arschloch, egal, woher es kommt. Und was eure Einstellung zu Frauen angeht ...«
    »Hey, jetzt reg dich nicht auf.« Er legte ihr die Hand aufs Knie, was dazu führte, dass Tatjana sich

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