Die Angst der Boesen
retten.
Dann wäre sie auch mal zu etwas gut.
Aber eigentlich hatten Levent und sie gar keine Chance. Plötzlich fröstelte Lilly in ihrem dünnen Shirt.
Der Wald links und rechts der Straße war ungewöhnlich dicht. Die Zweige der Bäume wuchsen weit auf den Fahrweg. Das Licht fiel nur in Inseln hindurch. Der Asphalt war löchrig und an den Rändern abgebrochen. Zweige und Tannenzapfen lagen überall, teilweise auch Steine. Levent begann, Slalom zu fahren. Von Meter zu Meter lenkte er langsamer, zögerlicher, vorsichtiger – aber leiser wurde das Moped nicht. Garantiert war es im ganzen Wald zu hören.
Wenn sie aber zu Fuß weitergingen, wären sie nicht nur langsamer, sondern auch noch angreifbarer und verletzlicher.
Sie kamen an einer Abzweigung vorbei. Links ging es zu den ehemaligen Pump- und Betriebsanlagen, geradeaus zum Eingang des alten Freibads. In alter Gewohnheit fuhrLevent geradeaus. Lilly hätte es auch so gemacht. Sie warf genau wie er einen Blick in das halb zugewucherte Sträßchen, das gleich nach der Abzweigung eine Biegung machte. Wie Levent wandte sie sich dann wieder nach vorn – ein Fehler.
Der Wagen kam aus dem Hinterhalt, preschte mit einem Affenzahn heran. Zweifellos wollte der Typ sie rammen.
In Bruchteilen von Sekunden verringerte sich der Abstand zwischen ihnen. Levents Kopf fuhr herum, Entsetzen im Blick. Lilly schrie, die Kollision vor Augen.
Levent riss im allerletzten Moment am Lenker. Das Moped kam von der Straße ab, ruckelte über einen Stein und machte einen Satz in den Graben.
Lilly fiel seitwärts mit ausgebreiteten Armen in einen Brombeerstrauch. Ihre Arme wurden von Zweigen und Dornen aufgerissen. Ihr Brustkorb krachte auf einen Stein und fühlte sich gleich darauf entsetzlich eng an und schmerzte stechend bei jedem Atemzug. Ein Unterschenkel samt Fuß musste unter dem Moped begraben sein, unter einem heißen, schweren Teil davon, das sich scharf in ihr Fleisch grub und die Tränen nur so strömen ließ.
Keuchend versuchte sie sich zu befreien. Zuerst einmal den Helm runter, damit sie etwas sah ...
Der Mann stand vor ihr. Er trug schwere Springerstiefel, denen die Dornen nichts anhaben konnten. Er beugte sich zu ihr runter. Er packte grob ihre hilflos rudernden Arme, führte die Handgelenke ruckartig zusammen und fesselte sie geschickt mit Kabelbinder.
Lilly blieb die Luft weg, als er sie kraftvoll unter dem Moped hervorzog. Obwohl sie heftig japste, legte er ihr seine trockenen, prankenhaften Hände um den Kopf und drehte ihr Gesicht zu Levent.
»Ist das Nummer fünf?«
Lilly gab keine Antwort. Selbst wenn sie gewollt hätte, wäre es ihr nicht möglich gewesen zu sprechen. Ihr ganzer Körper brannte vor Schmerz und Luftmangel. Und Levent ...
Levent war unglücklicher gefallen als sie. Er hatte sich mindestens ein Bein gebrochen und das Bewusstsein verloren. Der Täter hatte ihm schon den Helm abgenommen. Lilly hoffte, dass Levent nur das Bewusstsein verloren hatte und nicht mehr.
»Sag schon, du Dreckstück! Ist das Nummer fünf? Ist das der Junge, der noch dabei war, als ihr über meinen Sohn hergefallen seid? Ist er das? Los, sag’s mir!«
Lilly brachte ein Brabbeln hervor.
Zu wenig, fand ihr Peiniger. Er schlug sie mit der flachen Hand gegen den Hinterkopf. »Brauchst du eine Extraaufforderung? Ich krieg es sowieso raus. Also: Ist er’s oder nicht?«
»Nein!«
»Na also, geht doch. Auch wenn du bestimmt lügst, sobald du nur den Mund aufmachst.« Der Mann zog Lilly auf die Füße, scherte sich nicht darum, dass sie gleich wieder einknickte, schleifte sie zu seinem Auto und stieß sie bäuchlings auf die Rückbank. Die Tür knallte hinter ihr zu.
Lilly versuchte sich hochzurappeln. Doch mit gefesselten Händen, lädierten Rippen und dem verletzten Bein ging das nicht so schnell. Sie wollte gerade die Tür öffnen und sich aus dem Auto befreien, als der Mann zurückkam. Levent hatte er sich quasi unter den Arm geklemmt. Der Junge war kreidebleich, doch seine Augen waren jetzt offen. Als er – ebenfalls mit gefesselten Händen – zu Lilly auf die Rückbank fiel, stieß er sich noch den Kopf, stöhnte und schien wieder das Bewusstsein zu verlieren.
54
Paul war immer noch übel. Sobald er den Kopf hob, kam Schwindel dazu. Der ganze Schädel tat ihm weh, nicht nur die Stelle, wo die Platzwunde pochend blutete.
Trotzdem machte er immer wieder Versuche, aufzustehen und seine Hände von den angerosteten Rohren der alten Duschen zu befreien. Doch der
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