Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Angst der Woche

Die Angst der Woche

Titel: Die Angst der Woche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Krämer
Vom Netzwerk:
Landes heute durchaus angezeigt, in den meisten zum Glück aber nicht. Wie bringt man also eine gut situierte Industriellenwitwe in einem Wohngebiet, in dem seit 30 Jahren nicht mehr eingebrochen wurde, trotzdem dazu, eine teure Alarmanlage einzubauen?
    Bitte setzen Sie hier Ihre Antwort ein: ……...........
    Dabei will ich den Anbietern durchaus keine bösen Absichten unterstellen. Die meisten glauben sicher fest, sie täten den Käufern etwas Gutes. Nicht nur die Angsthasen rationalisieren gern ihr Verhalten (dazu später mehr), auch die Angstmacher können das.
    Â 
    Â 
    Eine weitere Panikregel heißt: Erwähne vor allem das relative und wenn möglich nicht das absolute Risiko. Kaffeetrinken erhöht das Risiko von Fehlgeburten um 10 Prozent, eine Ehescheidung das Risiko von Brustkrebs bei Frauen um 20 Prozent, ein Mobilfunkmast das Risiko für Alzheimer um den Faktor 2 usw. Bevor die Masten gebaut wurden, waren zwei Senioren in den städtischen Altersheimen an Alzheimer erkrankt, danach waren es vier. So presst man auch noch den kargsten Fakten ein kleines Mini-Skandälchen ab. Melde also nie: »Im Bundesdurchschnitt bringt sich jedes Jahr einer von 1000 Menschen um, in der Einflugschneise von Flughäfen dagegen zwei«, sondern: »Fluglärm treibt Menschen in den Tod! Selbstmordrate um 100 Prozent erhöht!«
    Nehmen wir eine der Meldungen aus der Liste in Kapitel 1: Asthma durch Raumspray. »Deutsche Lungenärzte warnen vor Haushaltsreinigern in Sprayform. Bei einem Einsatz der Sprays nur einmal pro Woche sei das Risiko für Atemwegsbeschwerden und asthmatische Symptome um das Anderthalbfache erhöht.« Ja was heißt denn das? Das Anderthalbfache von 10, 100, 1000, 10 000, 100 000 oder einer Million? Ohne die Kenntnis dieser absoluten Risiken ist die Meldung ohne jeden Wert.
    Mit dieser Methode, nämlich nur das relative Risiko zu melden, hatten die Medien in den 90er-Jahren einmal eine Massenpanik bei Frauen ausgelöst, die Antibabypillen der sogenannten dritten Generation verwendet hatten. Diese enthalten weniger Östrogen, dafür mehr andere weibliche Geschlechtshormone und sind ärmer an Nebenwirkungen. Im Oktober 1995 verbreitete das englische Committee on the Safety of Medicine eine Warnung, dergleichen Pillen erhöhten das Risiko einer Thrombose um 100 Prozent.
    Die Meldung »löste eine Schreckenswelle aus, die über den Kanal ins leicht erregbare Deutschland schwappte« (Focus) . Rund 200 000 Warnbriefe wurden an Ärzte, Apotheker und Gesundheitsämter ausgesandt, »Grund genug für viele Frauen, ihre Mikropillen panikartig abzusetzen. So wie die Berlinerin Anja Desch, 40: ›Ich will so lange aussetzen, bis erwiesen ist, dass ich mit der Verhütung nicht meine Gesundheit ruiniere.‹«
    Ein Jahr später stieg die Zahl der Abtreibungen weltweit an, allein in England kam es zu 26 000 zusätzlichen Schwangerschaften, rund 14 000 ungewollte Babys wurden abgetrieben. Wenn das kein sozialpolitisches Desaster ist, was denn dann?
    Was war geschehen? Bei Pillen der zweiten Generation erleiden drei von 20 000 Frauen eine Thrombose, bei Pillen der dritten Generation sind es sechs, bei Frauen, die überhaupt keine Pille nehmen, sind es zwei. Mit anderen Worten, durch die ansonsten viel sichereren und verträglicheren Pillen der dritten Generation waren pro 20 000 Frauen drei zusätzliche Thrombosefälle zu erwarten. Aber dieses Risiko wurde durch die Vorteile der neuen Pillen mehr als aufgewogen.
    Bleibt nur noch zu melden, dass bei den 14 000 zusätzlichen Abtreibungen allein in England ein gutes Dutzend Frauen umgekommen sind.
    Der gleiche Unfug mit relativen Risiken grassiert auch dann, wenn der Vorteil irgendeiner Maßnahme herausgestrichen werden soll. So überschätzen zum Beispiel Frauen den Nutzen von Brustkrebsvorsorge und Männer den Nutzen von Prostatauntersuchungen ganz gewaltig. Mein Berliner Kollege Gerd Gigerenzer hat einmal 10 000 Frauen gefragt, was eine 20-prozentige Reduktion des Brustkrebsrisikos durch Früherkennung eigentlich bedeute. Ein Viertel aller befragten Frauen meinte, dass dann von 1000 Frauen 200 vor Brustkrebs errettet werden. In Wahrheit sterben ohne Vorsorgeuntersuchung fünf von 1000 Frauen an Brustkrebs, mit Vorsorgeuntersuchung vier. Mit anderen Worten, eine von 1000 Frauen hat einen Nutzen davon, aber sehr

Weitere Kostenlose Bücher