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Die Angst der Woche

Die Angst der Woche

Titel: Die Angst der Woche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Krämer
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verstarben, als statistisch zu erwarten gewesen wäre.
    Die tatsächliche Strahlung misst man in Becquerel. Das ist die mittlere Anzahl an Atomen eines radioaktiven Stoffs, die pro Sekunde zerfallen. Üblicherweise zählt man die pro Liter oder Kilogramm; 1 Liter Milch hat normalerweise 1 Becquerel. Anders als Sievert bezieht sich das Becquerel damit auf den Strahlenemittenten; es nimmt auch keine Rücksicht auf die sehr unterschiedliche Gefährlichkeit der emittierten Strahlen. Aber es hat einen großen Vorteil für die Panikmacher – die Messwerte sind größer.
    Skandalöse 13 000 Becquerel pro Quadratzentimeter soll in den 90er-Jahren ein Castor abgesondert haben. Erlaubt sind 4. Wie dieser Grenzwert zu begründen ist, weiß niemand so recht, denn selbst diese 13 000 hätten in einem Meter Abstand einen begleitenden Polizisten einer Belastung von nur 0,000 007 Millisievert pro Stunde ausgesetzt, ein Zehntel dessen, was er ohnehin über die natürliche Strahlenbelastung mitbekommt, ob er nun neben einem Castor herläuft oder in der Südsee nach Korallen taucht. Auf jeden Fall wurde der Grenzwert um ein Vielfaches überschritten und hat die Angst vor Atomtransporten, wie es wohl auch von den Verbreitern dieser Meldung beabsichtigt war, kräftig weiter angeheizt.
    Das ist dann die letzte Methode, den Menschen Angst zu machen: Senke Grenzwerte so lange ab, bis die tatsächlichen Messungen von was auch immer – Strahlung, Dioxin in Eiern, PCB im Nagellack – darüber liegen. So lässt sich sogar mit Becquerel noch Geld verdienen. Bei mehr als 600 Becquerel pro Kilo Wildschweinfleisch zum Beispiel bekommen deutsche Jäger vom Steuerzahler 4,09 Euro Entschädigung, das Fleisch wird dann entsorgt. Diese Grenze ist aber völlig willkürlich und zieht nur dem Steuerzahler das Geld aus der Tasche (im Jahr 2009 mehr als eine halbe Million Euro). In Schweden etwa wird Wildfleisch erst ab 1500 Becquerel aus dem Verkehr gezogen. Und selbst dann ist kaum Gefahr für die Gesundheit zu befürchten. Nach Auskunft des deutschen Bundesamtes für Strahlenschutz kann man ein 400-Gramm-Steak von einem mit 2000 Becquerel pro Kilo belasteten Wildschwein verspeisen »und bekommt dann dieselbe Strahlendosis ab wie bei einem Urlaubsflug von Frankfurt nach Gran Canaria« (Die Zeit) .
    Trotzdem wird vor allem in Bayern fleißig nach Becquerel in Wildbret gesucht; 99 Messstationen gibt es schon. Das nächste Kapitel nimmt sich dieses Grenzwertkriegs nochmals genauer an.
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    Zuvor beleuchte ich noch kurz das Angstmachen als Umsatzverstärker, wie es in vielen Gewerben heute weit verbreitet ist. Immer wieder fallen auch ansonsten seriöse Medien darauf herein. So hat etwa die Frankfurter Allgemeine Zeitung im April 2008 anlässlich der Messe »Light and Building« in Frankfurt a.M. vor billigen Elektroprodukten aus Fernost gewarnt bzw. die Warnung interessierter Kreise kommentarlos an die Verbraucher weitergereicht. Da ist einmal der Zentralverband der Elektrotechnik und Elektronikindustrie (ZVEI), dann der Zentralverband der Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) sowie der VDI, der Verein deutscher Ingenieure. Alle drei hatten eine Verpflichtung verabschiedet, in Zukunft gemeinsam gefälschte und unsichere Produkte zu bekämpfen.
    Die mögen in der Tat gefälscht oder gefährlich sein – auf jeden Fall verderben sie den deutschen Anbietern das Geschäft. So sollen Billigprodukte aus Fernost bereits 10 Prozent des Welthandels ausmachen. In Afrika, so sagen die deutschen Anbieter, sei sogar inzwischen jedes zweite Elektrogerät kein Original. »Für die Industrie entstehen durch die Plagiate jährlich hohe Verluste.« Deshalb rät auch Walter Tschischka, der Präsident des ZVEH, dringend vom Kauf asiatischer Billigsteckdosen ab: »Ich empfehle jedem, solch ein Ding mal aufzuschrauben: Da erkennt sogar der Laie, dass das Pfusch ist.« Bei 1,99-
Euro-Angeboten könne man nun mal keine Qualität erwarten. »Ein wirklich hochwertiger Stecker kostet mindestens 5 Euro.«
    Wie aber bringt man die Menschen dazu, »einen wirklich hochwertigen Stecker« auch zu kaufen? Man macht ihnen Angst.
    Auch die Anbieter von Alarmanlagen oder Sicherheitszäunen kennen das Problem. Diese Anti-Kriminellen-Anlagen sind leider in einigen Ecken unseres schönen

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