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Die Angst der Woche

Die Angst der Woche

Titel: Die Angst der Woche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Krämer
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stets als Rechthaber da. So wie der Mann, der die Straße entlanggeht und alle zehn Schritte in die Hände klatscht. Da hält ihn ein Passant auf:
    Â»Hören Sie doch mit dem Händeklatschen auf, was soll das denn?!«
    Â»Nein, das ist wichtig, ich verjage damit die Kamele!«
    Â»So ein Unsinn – wo sind denn hier Kamele?«
    Â»Ja eben!«
    Â 
    Und dann hat auch noch die Einheit, in der man etwas Gutes oder Schlechtes misst, obwohl für die eigentliche Botschaft unbedeutend, einen gewissen Einfluss auf den Adressaten. Jeder weiß zum Beispiel, was ein Pfund Butter ist. Das reicht bei einer kleinen Familie für ungefähr eine Woche. Aber ein Pfund ist auch das Gleiche wie 0,0005 Tonnen, und das ist so gut wie nichts. Viele Nullen vor der ersten echten Ziffer sagen: »Hier ist nichts vorhanden.« Da ist es fast schon unerheblich, ob drei, fünf oder 17 Nullen hinter dem Komma folgen, klein ist klein.
    Umgekehrt machen aber auch viele Ziffern vor dem Komma kleine Dinge groß. Ein Pfund sind 500 000 Mikrogramm, und das erscheint den meisten als erheblich mehr als 0,0005 Tonnen, mit 500 000 ist man schon ein halber Millionär. Und dann erst ein Nano- oder gar ein Pikogramm! Ein Pikogramm ist ein Billionstel Gramm. Ein Pfund Butter sind 500 Billionen Pikogramm, 10 000 Mal mehr, als Bill Gates Dollar hat. Aber nur vier Stück davon in Gestalt von Dioxin im Frühstücksei, und du bist im Fernsehen!
    Auch bei der Belastung durch radioaktive Strahlung hat man eine große Auswahl, wie die denn zu messen ist. Die übliche Maßeinheit ist hier das »Sievert«, benannt nach dem schwedischen Mediziner und Physiker Rolf Sievert, einem frühen Pionier des Strahlenschutzes. Aber in Sievert gemessen sind die Strahlendosen weltweit derart klein, dass man sie nicht sieht. Deshalb gibt man sie üblicherweise in Millisievert an, abgekürzt mSv, einem Tausendstel von einem Sievert, und dann macht die Strahlung schon eher etwas her. So gemessen beträgt etwa die Belastung des deutschen Durchschnittsbürgers allein aus natürlichen Quellen derzeit rund 2,4 Millisievert pro Jahr. Sie setzt sich zusammen aus Strahlung aus dem Weltraum (0,3 Millisievert), aus dem Boden (0,4 Millisievert) oder aus der Nahrung (0,3 Millisievert) plus – und das ist der mit Abstand größte Teil – aus der Belastung durch das radioaktive Gas Radon (1,4 Millisievert), das bei natürlichen Zerfallsprozessen im Boden entsteht und in vielen Gegenden der Bundesrepublik ganz ungehindert aus dem Boden tritt. Betroffen sind vor allem Mittelgebirgsregionen in Sachsen, Thüringen und Bayern.
    In anderen Ländern ist diese natürliche Belastung zum Teil sogar noch höher. In Finnland liegt die mittlere Jahresdosis je Einwohner allein wegen Radon aus dem Boden bei 7,5 Millisievert, in Spanien bei 5,3 Millisievert. Größere Populationen in Brasilien und im indischen Bundesstaat Kerala erhalten sogar Dosen von über 15 Millisievert pro Jahr. Auch das ist immer noch weit unterhalb jeder Gefahrengrenze, aber unter diesen Zahlen kann man sich zumindest etwas vorstellen.
    Gefährlich wird die Strahlung irgendwo zwischen 100 und 1000 mSv. Werden etwa mehr als 30 Prozent des Körpers an einem Tag mit mehr als 1000 Millisievert bestrahlt, kommt es zu einer akuten Strahlenkrankheit mit Erbrechen, Übelkeit, Blutungen und Infektionen; unbehandelt führt das in der Regel in 20 bis 60 Tagen zum Tod. Diese Grenze wurde bei den Aufräumarbeiten in Tschernobyl und Fukushima bei vielen Arbeitern überschritten. 5000 Millisievert schädigen vornehmlich die Darminnenzellen, es kommt zu Fieber, Durchfall, Erbrechen, Flüssigkeitsverlust und, falls unbehandelt, Tod. Bei einer Dosis von 20 000 Millisievert stirbt man schon nach 20 Stunden, bei über 100 000 Millisievert sofort. Das war die Belastung der Menschen im Zentrum der Hölle von Hiroshima, sie wären auch ohne Schock und Hitze gleich gestorben. 500 Meter weiter wurden immer noch 40 000 Millisievert Belastung geschätzt, in zwei Kilometern Entfernung aber nur noch 70. Das erklärt, warum die Atombomben über Hiroshima und Nagasaki 240 000 Menschen sofort umbrachten, während in den Jahrzehnten danach unter den 100 000 Überlebenden die im Vergleich dazu relativ geringe Zahl von 450 Menschen mehr an Krebs

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