Die Angst der Woche
18. Dezember 2006 zur Registrierung, Evaluierung und Autorisierung chemischer Stoffe (REACH), die in vielfacher Hinsicht zeigt, wie man mit chemischen Risiken nicht umgehen sollte.
Die Verordnung Nr. 1907/2006, in Kraft seit Juni 2007, zwingt Unternehmen, die mehr als eine Tonne einer chemischen Substanz pro Jahr herstellen oder importieren, diesen Stoff in einer zentralen Datenbank zu registrieren sowie einen sogenannten Sicherheitsbericht (»Chemical Safety Report«) an eine zentrale Ãberwachungsagentur zu übermitteln. Mögliche Risiken sind vorab zu identifizieren und wenn möglich auszuschalten. Gefährliche Substanzen werden nur noch nach Autorisierung durch die EU-Kommission zugelassen und bleiben bei Nichtzulassung für den europäischen Markt verboten. »REACH ist eine bahnbrechende Neuerung«, so die seinerzeit zuständige EU-Umweltkommissarin Margot Wallström in einer EU-Pressemitteilung vom 29. Oktober 2003. »Mit Geltungsbeginn dieser Verordnung können wir die Wohltaten der Chemie genieÃen, ohne uns und die Umwelt mit schädlichen Nebenwirkungen zu belasten. Wir schaffen eine Lage, in der alle nur gewinnen, die Industrie, die Arbeitnehmer, die Verbraucher und die Umwelt gleichermaÃen. Die Bürger Europas erhalten endlich den Schutz, den sie zu Recht erwarten, die EU hat damit das fortschrittlichste Chemikalien-Managementsystem der Welt.«
Ãhnlich auch die Kommission in einer Pressemitteilung zum Abschluss der ersten Phase der REACH-Registrierung am 1. Dezember 2010: »Der heutige Tag ist ein groÃer Fortschritt für die sichere Handhabung und Verwendung von Chemikalien in ganz Europa. Ein groÃer Teil aller in der EU produzierten und eingesetzten Chemikalien sowie die gefährlichsten Chemikalien sind jetzt bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) registriert. Der 30. November ist als Frist für die Registrierung von häufig eingesetzten Chemikalien in der REACH-Verordnung festgelegt (Verordnung für die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe). Dank REACH erhält die europäische Industrie genauere Kenntnisse über die Gefahren, die von den Chemikalien, mit denen sie arbeitet, ausgehen können. Dies führt zu einem sichereren Einsatz von Chemikalien, zu gröÃerer Wettbewerbsfähigkeit und zu einer saubereren Umwelt.«
Damit wir uns nicht missverstehen: Dass künstliche chemische Substanzen vorsichtiger zu behandeln sind als Sand und Wasser und je nach Zusammensetzung für Umwelt und menschliche Gesundheit groÃe bis gröÃte Gefahr bergen, steht auÃer jedem Zweifel. Chemikalien können Krebs und Allergien, Asthma und sonstige Gesundheitsstörungen aller Art erzeugen, von GroÃdesastern wie Seveso, Bhopal usw. ganz zu schweigen. Am 10. Juli 1976 war nördlich von Mailand in einer Chemiefabrik des Schweizer Roche-Konzerns bei der Produktion von TCP (Trichlorphenol) in groÃen Mengen Dioxin entwichen. TCP ist ein Vorprodukt für Desinfektionsmittel aller Art. In einem Reaktorkessel war wegen schlampiger Bedienung Ãberdruck entstanden, rund zwei Kilogramm Dioxin gelangten über ein Sicherheitsventil in die Luft und verteilten sich über ein 6 km 2 groÃes, dicht bevölkertes Gebiet der Gemeinden Seveso, Meda, Desio und Cesano Maderno. Zwar kam kein Mensch unmittelbar dadurch ums Leben, aber die Dörfer wurden unbewohnbar und nach anfänglichen Vertuschungsversuchen evakuiert, die Entgiftung dauerte mehrere Jahre, erst 1982 wurde die betroffene Werkshalle von der Firma Mannesmann Italiana abgerissen und entsorgt.
Weitaus dramatischer, mit mehreren Tausend Todesopfern, aber weiter weg und daher für die deutschen Medien weniger interessant, war, was im Dezember 1984 im indischen Bhopal geschah. Wiederum durch Schlamperei des Personals konnten in einem Werk des US-Chemiekonzerns Union Carbide mehrere Tonnen giftiger Zutaten für Schädlingsbekämpfungsmittel in die Atmosphäre entweichen. Auch hier war Ãberdruck in einem Tank der Grund. Das war das bisher schlimmste Chemiedesaster und eine der bekanntesten Umweltkatastrophen der Geschichte. »Mindestens 15 000, vermutlich bis zu 30 000 Menschen sind in den vergangenen 25 Jahren an ihren Folgen gestorben«, schreibt die Hamburger Zeit . »Kein Wirtschaftsverbrechen hat je so viele Todesopfer gefordert.«
Das Beseitigen solcher Risiken ist damit
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