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Die Angst der Woche

Die Angst der Woche

Titel: Die Angst der Woche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Krämer
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Campylobacter-Bakterien in die Milch gelangen.«
    Deshalb ist »normale«, für den Verbraucher bestimmte Milch vor der Abgabe künstlich zu behandeln. Es sei denn, man kauft Rohmilch ab Hof oder Vorzugsmilch, da müssen die Naturfreunde eben mit den Risiken einer Vergiftung leben. »In Milch, die nicht wärmebehandelt wurde, sondern roh getrunken wird, können Keime überleben«, warnt auch Juliane Bräunig, eine Expertin vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Gesunden Erwachsenen könnten diese Keime außer Durchfall in der Regel wenig anhaben, doch für Kinder und alte oder immunschwache Personen sei Rohmilch durchaus gefährlich.
    Auch Schwangere sind gefährdet. »Die Krankheitserreger können Magen-Darm-Probleme, Erbrechen, Durchfall mit Fieber und Kreislaufbeschwerden, in schweren Fällen auch blutigen Durchfall und Nierenversagen verursachen«, sagt Bräunig. Das BfR empfiehlt daher allen Risikogruppen, generell auf Rohmilch ab Hof und auf Vorzugsmilch zu verzichten.
    Jetzt ein kleines Gedankenexperiment: Käme die Rohmilch nicht von der Kuh, sondern aus einer Chemiefabrik – sie wäre nach wütenden Protesten von Verbraucherschützern binnen weniger Tage vom Markt verschwunden.
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    In Deutschland nimmt sich die Lebensmittelchemische Gesellschaft, die größte Fachgruppe in der Gesellschaft Deutscher Chemiker, der von Ames und anderen in den USA behandelten Problematik an. Ihre mehr als 2700 Mitglieder, vor allem in der Industrie und in Behörden bei der Lebensmittelüberwachung tätig, personifizieren das deutsche Fachwissen zu Qualität und Sicherheit unserer Ernähung. Und auch der Vorsitzende der Lebensmittelchemischen Gesellschaft, Professor Dr. Thomas Henle, glaubt wie sein amerikanischer Kollege Ames, dass die durch künstliche Pestizide in der Landwirtschaft oder durch Acrylamid in Pommes frites oder Kartoffelchips erzeugten Risiken weit überschätzt werden gegenüber Gefahren durch Pflanzengifte, Bakterien oder Schimmelpilze, die von Natur aus vorhanden sind. Das stark nierenschädliche Schimmelpilzgift Ochratoxin entsteht zum Beispiel völlig natürlich in Getreide, wenn dieses schlecht gelagert wird, auch durch schlechtes Lagern bei Nüssen oder Kaffeebohnen; gegen Backen oder Kochen ist es fast immun. »In armen Ländern mit hungernder Bevölkerung«, so Henle, »können schlecht gelagerte, kaum kontrollierte oder ganz offensichtlich verdorbene Lebensmittel zu einem großen Problem für die Gesundheit der Menschen werden.«
    Und gut gelagerte, penibel kontrollierte und unverdorbene Lebensmittel ebenso.
    Der einschlägige Artikel von Ames, in der berühmten Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences bereits im Jahr 1990 erschienen, und auch die Expertise der deutschen Lebensmittelchemischen Gesellschaft haben in den Wissenschaften für ein gehöriges Umdenken gesorgt. Aber leider nur dort. Die Verbraucher essen weiter unbekümmert und in großen Mengen natürliche Gifte aller Art und geraten in Panik, wenn von künstlichen Pestiziden oder Zusatzstoffen die Rede ist. Nach einer Umfrage von Greenpeace aus dem Jahr 2007 wollen 71 Prozent aller Bundesbürger, dass überhaupt keine Rückstände künstlicher Pestizide in Obst und Gemüse enthalten sind, und nur 2,1 Prozent sahen in den Rückständen von Pflanzenschutzmitteln kein Problem. Und stolze 88,8 Prozent aller Bundesbürger fordern sogar, dass konventionell angebaute Waren wie etwa Tafeltrauben, bei denen wiederholt »zu hohe« Rückstände festgestellt werden, grundsätzlich nicht mehr angeboten werden dürfen.
    Kein Wunder, denn auch zu den modernen Massenmedien ist die Übermacht der natürlichen über die künstlichen Pflanzengifte noch nicht durchgedrungen; hier dominieren weiterhin Meldungen wie: »Neuer Schock! So werden unsere Kartoffeln vergiftet!« So überschreibt etwa eine große Fernsehprogrammzeitschrift einen typischen reißerischen Bericht über Pestizide in der beliebten deutschen Knollennahrung. »Jede Knolle fünfmal chemisch behandelt. Wer soll das noch essen?« Und so geht es weiter. »Das hat uns gerade noch gefehlt. Die Kartoffel in Verruf – vergiftete Atmosphäre um die Knolle, die zur begehrtesten Frucht der Deutschen wurde. Die neuen haarsträubenden Geschichten um die

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