Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Angst der Woche

Die Angst der Woche

Titel: Die Angst der Woche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Krämer
Vom Netzwerk:
Artefakte einer schlampig ausgewerteten Statistik.
    Â 
    Literatur:
    W. Krämer und H. Sonnberger: The linear regression model under test , Heidelberg 1986 (Physica Verlag)
    F. Lickint: »Tabak und Tabakrauch als ätiologischer Faktor des Carcinoms«, Zeitschrift für Krebsforschung 30 (1930), S. 349 – 365
    F. H. Müller: »Tabakmißbrauch und Lungencarcinom«, Zeitschrift für Krebsforschung 49 (1939), S. 57 – 85
    R. Paul: »Zigaretten in die Donau«, Der Spiegel 30 (1999), S. 198 f.
    R. E. Proctor: The Nazi War on Cancer , Princeton 1999 (Princeton University Press)
    Hanspeter Witschi: »A short history of lung cancer«, Toxicological Sciences 64 (1), S. 4 – 6
    M. Virtanen u. a.: »Overtime work and incident coronary heart disease: the Whitehall II prospective cohort study«, European Heart Journal 31 (2010), S. 1737 – 1744

11 Was uns das alles kostet
    Â 
    Â»Schätzungsweise 20 Milliarden Mark wird in Deutschland allein die Asbestsanierung öffentlicher Gebäude verschlingen.«
    Der Spiegel , 1995
    Â 
    Â 
    Â 
    Als Mitte des 19. Jahrhunderts in England die ersten dampfgetriebenen Automobile über die Straßen rollten, fürchteten die besorgen Anwohner, die Ungetüme könnten außer Kontrolle geraten und alles in ihrer Nähe niederwalzen. Die Folge war eines der kuriosesten Gesetze der ganzen Menschheitsgeschichte, der »Red Flag Act« von 1865. Das Gesetz schrieb vor, dass sich ein nicht von Pferden gezogenes Gefährt gleich welcher Art auf einer Straße mit einer Geschwindigkeit von höchstens vier Meilen in der Stunde bewegen durfte, innerhalb von Ortschaften höchstens mit zwei Meilen pro Stunde, und jedem Fahrzeug hatte zur Warnung der Bevölkerung ein Fußgänger mit einer roten Flagge (daher »Red Flag Act«) voranzulaufen. Diese Vorschrift galt bis 1896 und hat die Fortentwicklung der Automobilindustrie in England entscheidend gebremst; heute gibt es diese Industrie nicht mehr.
    Damit will ich keinesfalls behaupten, Angst und Vorsicht als solche seien immer fortschrittsschädlich. Ganz im Gegenteil. Hätten unsere Vorfahren in den Urwäldern und Savannen Afrikas vor einer halben Million Jahren keine Angst gehabt, so gäbe es uns heute nicht. Das Bauchgefühl der Angst und die verschiedenen genetisch programmierten Reaktionen darauf – vermeiden, verbieten, verhindern, bremsen – waren während des größten Teils der menschlichen Entwicklungsgeschichte geradezu überlebenswichtig. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass dieses über Hunderttausende von Jahren eingeübte Verhalten heute oft kontraproduktiv zu werden droht.
    Mit »kontraproduktiv« ist dabei nicht gemeint, dass man Gefahren vorbeugt, die sich zum Glück dann doch nicht zeigen. Das ist sogar normal. In die meisten mit einem Blitzableiter versehenen Häuser schlägt nie ein Blitz, und mehr als 99 von 100 Prallkissen (Airbags) werden nie aktiv. Dennoch sind die Ausgaben dafür durchaus lohnend. Denn eine vernünftige Vorsorge bemisst ein Risiko immer als das Produkt zweier Faktoren, der Wahrscheinlichkeit und der Höhe eines Schadens. Ein Schaden von 1000, der mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 Prozent auftritt, erzeugt ein Risiko von 10. Und ein Schaden von 100 000, der mit einer Wahrscheinlichkeit von einem hundertstel Prozent auftritt, erzeugt ebenfalls ein Risiko von 10. Und wenn die Kosten der Vorsorge dieses Produkt von Höhe und Wahrscheinlichkeit des Schadens nicht übersteigen, ist das Geld gut angelegt.
    Genau das aber ist bei vielen modernen Antirisikomaßnahmen nicht der Fall; viele Akteure auf der modernen Risikobühne schätzen die möglichen Schäden oder die Wahrscheinlichkeiten für diese Schäden oder beides viel zu hoch. Ich selbst habe mir in Pisa schon einmal eine Versicherung verkaufen lassen (siehe Kapitel 4), dass der Schiefe Turm nicht auf mein Auto fällt. Nicht viel klüger war ein Nachbar in dem kleinen Dorf im Norden, wo wir wohnen, der sich in seinem Garten einen Atombunker hatte installieren lassen. Andere Menschen lassen sich überflüssige Alarmanlagen aufschwatzen, kaufen teure Trinkwasserentgiftungsanlagen, werfen gute Möbel wegen Formaldehyd auf den Müll oder geben ihre Spargroschen für die Sanierung ihrer angeblich amalgamverseuchten Zähne aus. In all

Weitere Kostenlose Bücher