Die Angst der Woche
Zugänglichkeit von Schusswaffen möglich geworden ist.
Und so weiter und so fort. Diese Einäugigkeit ist nicht nur dumm, sondern auch sehr teuer und eines der gröÃten Defizite im Umgang mit Gefahr und Risiko überhaupt.
Â
Â
Aber nicht nur die Obrigkeit unterliegt der Unvernunft, wir Bürger stehen ihr nicht nach. Kaum warnt ein Fernsehmagazin vor Pestiziden in der Babykost, rennen die Mütter aufgeregt zum Markt und kochen ihr Babygemüse selbst, ohne eine Ahnung davon zu haben, dass reguläres deutsches Marktgemüse eine mehr als hundertfach höhere Pestizidkonzentration aufweisen darf und oft auch aufweist, als jemals in dem am schlimmsten »verseuchten« Babygemüse nachgewiesen worden ist. Oder nehmen wir die Panik vieler Amerikaner nach dem 11. September 2001. Danach brach der zivile Luftverkehr in den USA auf vielen Strecken fast zusammen. Die Amerikaner hatten Angst vor dem Fliegen, sie fuhren vermehrt Auto, und das hat nach einer bekannten Untersuchung des Berliner Psychologen Gerd Gigerenzer dazu geführt, dass in den folgenden Jahren fast genauso viele US-Amerikaner zusätzlich im StraÃenverkehr den Tod gefunden haben wie durch die Terroranschläge des 11. September selbst.
Genauso unvernünftig ist die Angst vieler Menschen vor den Nebenwirkungen von Medikamenten. Die sind in der Tat nicht wegzuleugnen, und ihre Schädlichkeit wird, wann immer sie auftreten, in den Medien auch mit Wollust breitgetreten. In meinem Buch Die Panikmacher (mit Gerald Mackenthun) zeige ich beispielhaft, wie der Stern aus dem Fall der kleinen Linda Straub aus dem unterfränkischen Dorf Hassenbach, die an einer ungewollten Ãberdosis des Schmerzmittels Paracetamol gestorben war, eine Tragödie machte. »Als sie das tote Mädchen in ihren Armen hielt, dachte sie: âºDas ist nicht mein Kind, das da gestorben istâ¹, und streichelte den kleinen Körper so lange, bis die Wahrheit unabweisbar in ihr Bewusstsein drang und sie âºnur noch dumpf rausgeschrienâ¹ hat, denn Tränen hatte sie keine mehr. Es dauerte sechs Wochen, bis die ersten flieÃen konnten.« Wegen solcher Fälle setzen viele Patienten aus Angst vor Nebenwirkungen ihre Medikamente ab. Die so vermiedenen Risiken bewirken nach Berechnungen des Münchner Medizinprofessors Klaus Heilmann tatsächlich eine durchschnittliche Lebensverlängerung, und zwar von 37 Minuten. Dagegen erzeugen die so neu erzeugten Risiken der Nichteinnahme eine durchschnittliche Lebensverkürzung, und zwar von mehr als 15 Jahren. Laut einer Befragung in amerikanischen Krankenhäusern sterben in den USA allein durch Nichtanwendung von Herz-Kreislauf-Mitteln jährlich etwa 125 000 Menschen. Ãbertragen auf Deutschland wären das etwa 30 000 »vorfristig Verstorbene«. Das Nichteinnehmen geeigneter und wirksamer Medikamente ist also deutlich riskanter als die Einnahme. Oder um mit Heilmann zu sprechen: »Das Risiko, mit einem Rezept in der Tasche auf dem Weg zwischen Arzt und Apotheke zu verunglücken, ist um ein Vielfaches höher, als an dem zu erkranken, was auf dem Rezept steht.«
Â
Â
Und dann natürlich sind auch die nur schwer messbaren Kosten der Panikmache für die Psyche zu beachten. Auch die sind inzwischen in fast schon unvorstellbare GröÃenordnungen vorgedrungen; je nach Schätzung und je nachdem, wie man die Beschwerden misst, haben wir allein in Deutschland heute zwischen fünf und zehn Millionen eingebildete Umweltkranke zu versorgen (bzw. deren Fehlzeiten bei der Arbeit oder deren Frühverrentung zu bezahlen).
»Die eigenen Erfahrungen sowie die des sozialen Umfelds, Presse und Medienberichte über Umweltkatastrophen erzeugen bei vielen Menschen Angststörungen, die viele Erkrankungen imitieren und den Patienten wie den Arzt vor groÃe diagnostische und therapeutische Schwierigkeiten stellen können«, schreibt der Hautarzt und Umweltmediziner Klaus-Michael Taube. »Man weià heute, dass bei etwa einem Drittel aller hautkranken Patienten psychische Störungen als ursächliche oder zumindest begleitende Faktoren bedeutsam sind.«
Solche eingebildeten Umweltkranken hat es in den Hungerjahren nach dem Zweiten Weltkrieg nicht gegeben. Heute lesen wir immer häufiger von Frührentnern, die nicht sagen können, warum sie früh verrentet worden sind, ja sogar von toxikologisch unerklärbaren
Weitere Kostenlose Bücher