Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken
gegen eines der Sofakissen gelehnt war. Er nahm ihn an sich. In die obere linke Ecke war sauber sein Name geschrieben. Ansonsten war das Päckchen durch nichts gekennzeichnet.
Neugierig öffnete er es. Ein Roman kam zum Vorschein, ein Thriller von Anna North. Die Autorin war ihm unbekannt. Während er das Buch umdrehte, flatterte eine Notiz zu Boden. Kurz und rätselhaft stand darauf:
Morgen, 15 Uhr. E! Unterhaltungskanal.
Ben fragte sich stirnrunzelnd, wer ihm das hinterlassen haben könnte? Und warum?
Er blätterte das Buch durch, fand jedoch keine Antwort darauf. Vermutlich hatte einer seiner Patienten es für ihn hingelegt, ohne es zu erwähnen, oder es abgelegt, während er in einer Sitzung war.
Er hatte heute sechs Patienten gehabt. Er zählte sie an den Fingern ab und konnte sich bei keinem vorstellen, warum er ihm ein Buch hinlegen sollte. Während er in einer Sitzung gewesen war, hätte allerdings auch jeder Fremde ins Wartezimmer gehen können.
Die Frage blieb. Warum? Um das Rätsel zu lösen, würde er morgen E! einschalten.
7. KAPITEL
Samstag, 13. Januar,
French Quarter.
Kurz nach zwei kehrte Anna von ihrer Halbtagsstelle in der „Perfekten Rose“ heim. Fröstelnd blickte sie zum grauen Himmel und wünschte, der vom Meteorologen auf Kanal 6 vorausgesagte Sonnenschein würde sich endlich zeigen. Der Winter hatte gerade erst begonnen, und sie sehnte schon sein Ende herbei.
Nach ihrem Lunch mit Jaye am Donnerstag war sie beunruhigt an ihre Arbeit zurückgekehrt. Dass Jaye verfolgt worden war, machte ihr zu schaffen. Sie hatte sogar daran gedacht, ihre Pflegemutter oder die Polizei zu benachrichtigen, den Gedanken jedoch wieder verworfen. Zum einen, weil Jaye über eine Einmischung wütend gewesen wäre, und zum anderen, weil sie sich geeinigt hatten, dass Jaye zur Polizei ging, sollte der Mann noch einmal auftauchen. Anna war nicht ganz zufrieden mit diesem Kompromiss, wollte die Sache jedoch vorläufig auf sich beruhen lassen.
Sie holte den Schlüssel aus der Tasche. Zusätzlich zu ihren Sorgen um Jaye beunruhigten sie Minnie und der ominöse „Er“ aus ihren Briefen.
Da Jaye vermutlich Recht hatte und Minnie eine Freundin brauchte, hatte sie den Brief beantwortet. In fröhlichem Plauderton hatte sie einige Fragen über Minnies Eltern und ihr Verhältnis zu ihnen eingeflochten. Inzwischen fragte sie sich, ob sie subtil genug gewesen war und Minnies Leute sie nicht durchschauten – und ihr die Hölle heiß machten.
Anna öffnete die Tür zum Hof ihres Mietshauses, blieb stehen und winkte dem alten Mr. Badeaux von gegenüber zu. Als aufmerksamer Nachbar verbrachte Alphonse Badeaux die meiste Zeit des Tages mit seiner uralten einäugigen Bulldogge Mr. Bingle auf den Eingangsstufen seines Doppelhauses.
Alphonse, zweimaliger Witwer, schwatzte mit jedem, der des Weges kam, und wusste fast alles über die Leute im Umkreis etlicher Blocks.
„Sie haben heute ein Päckchen bekommen“, rief er, stand auf und kam herüber. „Ich habe den Boten gesehen, weiß aber nicht, von wem es ist. Geht mich auch nichts an.“
Anna schmunzelte darüber. „Hat er es über das Tor geworfen?“ Falls niemand im Haus war, den Toröffner zu betätigen, wurden die Päckchen häufiger in den Hof geworfen. Das war kein Problem, solange es nicht unerwartet regnete. Da das in New Orleans aber häufiger vorkam, hatte sie schon einige durchweichte Päckchen erhalten.
„Nein.“ Er kratzte sich am Kopf. „Irgendwer hat den Toröffner gedrückt. Ging rein und kam nach vier Minuten wieder raus. Weiß aber nicht, wer. Geht mich nichts an.“
„Danke, Alphonse. Ich werde mal sehen, was es ist.“ Sie blickte über die Straße zu Mr. Bingle, der auf den Eingangsstufen fläzte. „Ansonsten ist alles okay mit Ihnen und Mr. Bingle?“
„Einigermaßen.“ Er fuhr sich mit einer Hand über das alte, wettergegerbte Gesicht. „Ich mag die Kälte nicht. Geht mir in die Knochen.“
„Ich weiß, was Sie meinen. Es ist feucht.“
Er nickte und deutete mit dem Daumen auf seinen Hund. „Scheint den alten Mr. Bingle nicht zu kümmern. Kalt oder heiß, nass oder trocken, der alte Bingle merkt den Unterschied nicht.“
Der Hund hob den Kopf und sah sie mit seinem verbliebenen Auge an. Anna berührte ihren Nachbarn lächelnd am Arm. „Kommen Sie mal auf eine Tasse heiße Schokolade zu mir hoch. Wenn ich das selbst sagen darf, mein Gebräu ist umwerfend gut.“
„Das ist sehr lieb von Ihnen, Miss Anna. Mache ich gern. Sehen
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