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Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken

Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken

Titel: Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Spindler
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Sie jetzt nach Ihrem Päckchen.“
    „Ja, mache ich.“ Sie ging in den Hof und schloss das Tor hinter sich.
    Wie viele alte Gebäude im French Quarter, dem Vieux Carré, war ihres um einen zentralen Hof herum gebaut. In früheren Zeiten dienten diese Höfe mit ihren Ziegelmauern und der üppigen Vegetation den Anwohnern als Zuflucht vor der Sommerhitze. Heute waren sie eine Oase der Ruhe vor dem Lärm der Stadt.
    Anna ging die schmale Treppe in die erste Etage hinauf. Tatsächlich lehnte ein wattierter Umschlag an ihrer Tür. Sie nahm ihn, schloss ihre Wohnungstür auf und trat ein. Nachdem sie ihre Tasche auf den Flurtisch gelegt hatte, nahm sie das Päckchen genauer in Augenschein. Es trug nur ihre Adresse, aber sonst keinen weiteren Hinweis. Kein Poststempel, kein Absender oder Firmenaufdruck.
    Seltsam, dachte sie, öffnete den Umschlag und nahm eine Videokassette heraus mit dem Aufdruck: „Interview Savannah Grail“.
    Mutter . Anna lächelte. Natürlich . Beim letzten Gespräch hatte ihre Mutter erwähnt, dass ihr Agent ihr einige neue Möglichkeiten eröffnet hatte. Dieses Interview war vermutlich eine davon.
    Sie schaltete den Fernseher an und schob das Band in den Videorekorder. Mit einem Glas Wasser und einer Hand voll Cracker aus der Küche setzte sie sich. Ihre Mutter vermisste die Schauspielerei, das Scheinwerferlicht und die Verehrung der Fans. Es fehlte ihr, ein Star zu sein.
    Schon lange war sie keiner mehr. Nach der Entführung seinerzeit war es mit der schon abflachenden Karrierekurve noch einmal kurz bergauf gegangen. Doch das hatte nicht lange angehalten. Sie war bereits fünfundvierzig gewesen. Ein Alter, in dem bei weiblichen Hollywoodstars die Metamorphose zur Filmmutter beginnt. Diese Rollen gingen jedoch an Schauspielerinnen mit Oscar-Format. Etwas, das ihre Mutter auch in ihren besten Zeiten nicht gehabt hatte.
    Es war eine traurige Tatsache, aber für ihre Mutter gab es keine Arbeit mehr, mal abgesehen von einem gelegentlichen Werbefilm oder einer Rolle in einer lokalen Theaterproduktion.
    Savannah hatte Mühe gehabt, das zu akzeptieren, aber sie hatte es überlebt. Nach dem Scheitern ihrer Ehe hatte sie Kalifornien verlassen und war in ihre Heimatstadt Charleston zurückgekehrt.
    Dort war sie immer noch ein Star. Sie war die Savannah North – eine Rolle, die ihr auf den Leib geschrieben war.
    Lächelnd machte Anna es sich auf dem Boden bequem und drückte die Starttaste. Gleich darauf erschien ihre Mutter im blauen Seidenkostüm mit Diamantschmuck auf der Bildfläche.
    Anna aß Cracker und verfolgte, wie ihre Mutter vor der Kamera lebendig wurde und den Interviewer anlächelte, jeder Zoll ein Star. Sie war immer noch bildschön, immer noch der rothaarige, grünäugige Blickfang, den das Publikum – vor allem das männliche – so geliebt hatte.
    Der Interviewer machte sich an die Arbeit und blieb im Hintergrund. Da Anna vertraut mit Filmarbeit war, wusste sie, dass viele Interviews so entstanden. Das Gesicht des Interviewers wurde später wahlweise eingefügt.
    Der Mann fragte ihre Mutter nach ihrer Arbeit und ihrem früheren Status als Filmgöttin. Er fragte nach Filmen und Fernsehserien, in denen sie der Star gewesen war. Sie sprachen über das Hollywood der fünfziger Jahre, über die damaligen Stars und Savannahs amouröse Abenteuer.
    Dann nahm das Interview eine andere Wende. Der Videofilmer befragte Savannah nach ihrem Privatleben, ihrer Scheidung, ihrem Umzug nach Charleston und nach ihrem einzigen Kind, ihrer Tochter Harlow Grail.
    Anna straffte sich mit einem unguten Gefühl. Der Interviewer fragte weiter, obwohl ihre Mutter deutliche Zeichen des Unmuts zeigte. Er sprach über die tragische Entführung und ihre Auswirkungen auf Savannahs Ehe und Harlows Psyche.
    Anna beobachtete die Reaktionen ihrer Mutter auf die Fragen und bemerkte das Geschick des Interviewers. Er wechselte zwischen Schmeichelei und Vorwurf, Bewunderung und Argwohn und wusste nicht nur, wie er die Themen anschneiden musste, sondern auch wann. Er ging so weit zu behaupten, ihre Karriere habe von der Tragödie profitiert.
    Das machte Anna wütend. Sie durchschaute sein manipulatives Spiel, ihre Mutter offenbar nicht. Savannah klappte regelrecht zusammen und begann sich zu rechtfertigen.
    Er nutzte ihr Unbehagen und holte zum Todesstoß aus. „Es ist einfach tragisch“, sagte er leise, „dass Harlow die Entführung trotz ihrer Stärke und ihres Mutes nie überwunden hat. Es muss schmerzlich für Sie gewesen

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