Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken
letzter Zeit hatte sie ziemlich unter Stress gestanden. Dann hatte Malone ihr auch noch Angst gemacht, und die Angst gewann eine Eigendynamik und überlagerte ihren gesunden Menschenverstand.
Anna stieg aus dem Bett. Die Lust auf Kaffee war letztlich größer als die Verlockung, sich noch einige Stunden unter der Bettdecke zu verkriechen. Sie stöhnte auf, als sie ihren verletzten Fuß belastete, und hinkte in die Küche. Die St. Louis Kathedrale hielt die letzte Messe um elf. Da blieb ihr genügend Zeit für Kaffee, die Times-Picayune und eine lange, genüssliche Dusche.
Sobald der Kaffee aufgesetzt war, ging sie hinunter, um die Zeitung zu holen.
Und stand Ben Walker gegenüber, der gerade auf den Klingelknopf drücken wollte. Er hatte einige Tüten von La Madeline im linken Arm und balancierte ein Tablett mit Getränken in der Rechten.
Glaubt der, er kann mich abends versetzen und sich morgens wieder lieb Kind machen? Denkste. „Ben“, sagte sie kühl. „Was führt Sie so früh am Morgen her?“
Er fragte erstaunt: „Ich habe noch nicht mal geklingelt, woher wussten Sie, dass ich da bin?“
Sie drängte sich an ihm vorbei, beugte sich hinunter und nahm die Zeitung auf. Er verstand und wirkte verlegen.
„Ich habe Käse mitgebracht und frisches Baguette. Sie haben noch nicht gefrühstückt, oder?“ Da sie nicht antwortete, wackelte er ein wenig mit dem Getränketablett. „Und Cappuccinos. Darf ich hereinkommen?“
„Ich glaube nicht. Mir ist heute Morgen nicht nach Gesellschaft.“
„Sie sind mir böse. Wegen gestern Abend.“
Sie sah ihn streng an. „Ich denke, wenn Sie den Abend mit mir hätten verbringen wollen, hätten Sie es auch ins Tipitina geschafft. Heute Morgen ist es zu spät.“
Er beteuerte: „Ich wollte gern mit Ihnen zusammen sein. Es gab einen Notfall mit einem Patienten. Als ich mich endlich freimachen konnte, war ich fertig und keine gute Gesellschaft mehr. Das wollte ich Ihnen und Ihren Freunden nicht antun.“ Nach kurzem Zögern: „Es tut mir wirklich Leid, Anna. Ich wäre gern bei Ihnen gewesen.“
Er sah sie mit seinen großen braunen Augen treuherzig an. Woraufhin sie seufzend beiseite trat und ihm den Weg frei machte. „Also meinetwegen, aber ich bin wirklich sauer.“
Das schien ihn nicht zu überzeugen, denn er betrat lächelnd das Foyer und ließ den Blick durch den hohen Raum wandern: über den Stuck des Deckenmedaillons, die Wandfriese und das gedrechselte Geländer. „Ich liebe diese alten Häuser. Sie haben unendlich viel Charakter.“
„Da stimme ich Ihnen zu. Kommen Sie. Ich muss meinen Fuß entlasten.“
Er entdeckte den Verband und fragte besorgt: „Was ist passiert?“
Auf dem Weg in die erste Etage erzählte sie es ihm. Als sie fertig war, berührte er ihre Hand. „Ich hätte bei Ihnen sein sollen, dann wäre das nicht passiert.“
Aber dann hätte ich keine Zeit mit Quentin Malone verbracht.
Da die Wohnungstür nur angelehnt war, traten sie gleich ein. „Es war nicht Ihre Schuld, Ben. Die Küche ist hier entlang.“
Augenblicke später warf sie die Zeitung auf den Küchentisch. „Setzen Sie sich. Ich hole Teller und Servietten.“
Die Tüten knisterten, als er sie öffnete. „Ich habe Brie, Gouda und Weichkäse mit Kräutern mitgebracht. Ich wusste nicht, was Sie am liebsten mögen.“
Sein Versuch, sie in die Defensive zu drängen, amüsierte sie. „Sie wollen sagen, Sie wussten nicht, in wie großen Schwierigkeiten Sie stecken.“
Er grinste. „Bin ich so leicht zu durch… Anna, haben Sie das gesehen? In der Zeitung?“
Sie kam an den Tisch. Er drehte die Zeitung, damit sie die Titelseite lesen konnte. Ihr Blick fiel sofort auf die Überschrift, die er meinte.
Frau im French Quarter überfallen.
Sie ließ sich ermattet auf den Stuhl fallen. „Ist das letzte Nacht passiert?“
„Ja.“ Er drehte die Zeitung wieder zu sich her. „Sie war auf dem Heimweg. Sie arbeitete als Kellnerin im Cats Meow. Der Täter griff sie von hinten an.“
Anna legte eine Hand vor den Mund. „Was steht da noch? Was sagt sie über den Mann?“
Er überflog den Artikel. „Sie hat ihn nicht sehen können. Etwas verscheuchte ihn, aber sie weiß nicht, was es war. Um welche Zeit wurden Sie verfolgt, Anna?“
Sie dachte kurz nach. „Nach eins. Ich weiß noch, dass ich auf die Uhr gesehen habe.“
„Das hier passierte kurz nach zwei. Nachdem der Club geschlossen hatte.“
Sie schluckte trocken. „Glauben Sie, dass es derselbe war, der mich
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