Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken
sichtlich müde wurde und über seine schmerzenden Finger klagte, hatte sie ihn regelrecht heimgescheucht und sich erboten, den Laden abzuschließen, überzeugt, dass in der letzten Stunde nicht mehr viel los sein würde. Sie hatte den Laden aufräumen und alles für den nächsten Tag vorbereiten wollen. Stattdessen waren noch zwei Ehemänner in Nöten erschienen. Der eine brauchte Blumen für den Geburtstag seiner Frau, der zweite für den Hochzeitstag.
Glücklicherweise hatten beide Rosen gewollt, mit denen sie ganz gut zurecht kam. Allerdings hatten die beiden Aufträge ihre restliche Stunde aufgezehrt. Deshalb war sie noch länger geblieben, um aufzuräumen. Falls es morgen wieder so hektisch wurde, mussten sie und Dalton einen ordentlichen Arbeitsplatz vorfinden.
Anna schloss ihre Wohnungstür auf und trat ein. Hungrig und erschöpft schleppte sie sich geradezu dahin.
Ihr Agent hatte heute angerufen. Cheshire House hatte ihr ein letztes Angebot gemacht. Ein gutes, etwas höher als das letzte, und sie wollten sofort eine Antwort haben.
Sie hatte abgelehnt.
Seufzend warf sie ihren Schlüssel auf den Tisch im Flur. Sie hätte von Herzen gern angenommen, doch um ihres Seelenfriedens willen musste sie ablehnen. Es wäre ihr unmöglich, die verlangte Werbekampagne unbeschadet durchzustehen. Sie konnte so etwas eben nicht, basta.
Deprimiert überlegte sie, sich ein Sandwich zu machen und dann an den Computer zu gehen. Vielleicht hob es ihre Stimmung, wenn sie wieder arbeitete. Wenn sie nur ein, zwei gute Seiten schrieb, war ihre Lust am Schreiben vermutlich wieder geweckt.
Sie zog Leggings und einen dicken Pullover an und ging in die Küche. Ein Blick auf den Anrufbeantworter verriet ihr, dass keine Mitteilungen eingegangen waren. Sie schaltete das Radio ein und ging zum Kühlschrank.
Den „Mardi Gras Mambo“ mitsummend, öffnete sie die Tür und nahm alles heraus, was sie für ihr Lieblingssandwich brauchte.
Sie trug Truthahnfleisch, Gemüse, Mayonnaise, eingelegte Gurken und einige Chips zur Arbeitsplatte und ging zurück, um einen Krug Wasser zu holen. Da entdeckte sie es. Auf einem gläsernen Dessertteller lag auf einem herzförmigen Deckchen ein Finger. Ein kleiner Finger.
Entsetzt aufschreiend sprang sie zurück.
Der Wasserkrug entglitt ihrer Hand und zersplitterte auf dem Boden. Kaltes Wasser spritzte ihr über Knöchel und Füße.
Kurt! Er hat mich gefunden!
Geradezu hysterisch wandte sie sich ab und rannte los. Aus der Wohnung heraus, den Flur entlang zum Nachbarapartment von Dalton und Bill.
Schluchzend und rufend schlug sie gegen die Tür. Bitte seid zu Hause! Bitte, bitte!
Sie waren da. Eine halbe Stunde später saß sie zusammengekauert auf der Couch, und Dalton hatte schützend einen Arm um sie gelegt. Sobald sie wieder zusammenhängend reden konnte, um ihren Freunden zu erzählen, was sich ereignet hatte, hatten sie Malone informiert. Der war im Augenblick mit Bill nebenan in ihrer Wohnung und machte sich ein Bild von der Situation.
Sie holte zittrig Atem, und Dalton drückte sie kurz an sich. „Es wird alles wieder gut, Anna.“
Das klang nicht überzeugend. Seine Stimme schwankte leicht, und sie wünschte, ihm Mut machen zu können.
Kurt hat mich gefunden. Er war in meiner Wohnung. Er will mich umbringen!
Fröstelnd schmiegte sie sich enger an Dalton. „Ich habe Angst.“
„Ich weiß.“ Er seufzte tief. „Ich auch.“
Malone kehrte zurück, Teller, Deckchen und Finger im versiegelten und beschrifteten Beweisbeutel. Annas Blick wanderte von dort zu Bill, der kreidebleich hinter Malone herging. Sie schluckte. „War es … ich meine, konnte man erkennen, wer …“
„Der Finger ist eine Attrappe“, unterbrach Malone sie und kam zu ihr. „Eine sehr gute. Eine Prothese.“
Er legte den Beutel auf den Tisch, und Anna wandte den Blick ab. Attrappe oder nicht, der bloße Anblick verursachte ihr Übelkeit.
Malone ging vor ihr in die Hocke, so dass sie ihn ansehen musste. „Anna, war Ihre Tür abgeschlossen, als Sie nach Haus kamen?“
Sie dachte nach und nickte. „Der Sicherungsriegel schnappte zurück wie immer. Ich trat ein und warf meine Schlüssel auf den Tisch im Flur.“
„Und Sie haben nichts Ungewöhnliches bemerkt? Sie hatten nicht das Gefühl, dass etwas verändert war oder nicht in Ordnung sein könnte?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, nichts.“
„Wussten Sie, dass Ihre Balkontür unverschlossen war?“
„Sind Sie sicher?“ Sie zog die Stirn in
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