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Die Angstmacher

Die Angstmacher

Titel: Die Angstmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Krueger
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wie den Versicherer.«
    Auch die Zermürbungstaktik der Versicherer will Schwintowski durchkreuzen. Die Versicherer sollen nicht folgenlos die Schadenregulierung verzögern können, fordert er. Zwar gibt es in Deutschland nicht den in den USA üblichen Strafschadensersatz. Aber Richter können die Verschleppung der Regulierung als Persönlichkeitsverletzung werten und deshalb das Schmerzensgeld erhöhen. Ab und zu geschieht so etwas auch, sagt Schwintowski. Aber in diesen Fällen ging es bislang nur um wenige Tausend Euro. Müssten die Gesellschaften damit rechnen, dass die Gerichte dem Geschädigten einen Schadensersatz in Höhe von 200 000 Euro oder 300 000 Euro zusprechen, wäre ihr Risiko hoch. »Wir brauchen ein oder zwei Musterfälle«, sagt Jura-Professor Schwintowski. Interessant könnte so etwas für Prozessfinanzierer sein. Diese Firmen übernehmen bei hohen Streitwerten die Kosten für Prozesse. Gewinnt der Kläger, bekommen sie einen Teil der erstrittenen Summe. Unter demDach der Assekuranz gibt es Prozessfinanzierer, die Kunden zum Beispiel bei Verfahren nach einem Kunstfehler unterstützen. Dabei handelt es sich um Tochterunternehmen, oft von Rechtsschutzversicherern. Sie finanzieren durchaus auch Prozesse gegen Versicherer. Grundsätzlich prüfen sie die Erfolgsaussichten allerdings sehr genau und übernehmen nur Fälle mit hohen Streitwerten. Der Prozessfinanzierer des Rechtsschutzversicherers Roland zum Beispiel übernimmt nur fünf von 100 Verfahren. Die Klagen müssen einen Streitwert von 50 000 Euro und mehr haben. Es gibt auch eine Reihe von Prozessfinanzierern, die von der Branche unabhängig sind.
Kein scharfes Schwert
    Ohnehin sind Musterverfahren ein sehr gutes Instrument, um die Position der Kunden zu stärken. In den USA haben Verbraucher eine mächtige Lobby. Eine ganze Industrie von Anwälten und Interessensvertretern lebt davon, die Rechte von Verbrauchern wahrzunehmen und auszubauen. In Deutschland gibt es das nicht, denn die Lobby der Versicherten ist schwach. Die Verbraucherzentralen vertreten viele Interessengebiete, ihre Etats sind knapp. Für die Belange Versicherungsgeschädigter ist da wenig Platz. Der Bund der Versicherten ist dagegen eine große Organisation. Seine große Kompetenz steht im eigenen Lager außer Frage. Der Bund unterstützt auch die wissenschaftliche Weiterentwicklung aus Sicht des Verbraucherschutzes. Kritiker greifen ihn allerdings an, weil er für seine Mitglieder auch Versicherungsschutz organisiert und Rahmenverträge mit Anbietern schließt. Zu Beginn des Jahrtausends trennte sich der Bund der Versicherten von seinem Mitgründer, Geschäftsführer und spiritus rector. Der seinerzeit profilierteste Assekuranzkritiker wurde wegen eines strafrechtlich relevanten Vergehens zur einer Gefängnisstrafe verurteilt. Das war nicht nur ein großer Imageschaden, sondern auch ein großer Verlust an Know-how. Unterseiner Führung profilierte sich die Organisation als scharfe Kritikerin der Assekuranz. Sein Satz »Kapitallebensversicherungen sind legaler Betrug« markiert die damalige strikte Haltung. Vergebens hat der Verband der Lebensversicherer versucht, dagegen juristisch vorzugehen. Der Skandal um seinen Mitgründer hat den Bund der Versicherten in eine Krise gestürzt. Seine Nachfolger an der Spitze der Organisation waren gegenüber der Assekuranz versöhnlicher. Die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Lilo Blunck etwa setzte als Vorsitzende eher auf Kooperation denn auf Konfrontation. Im September 2011 wurde der profilierte und im Umgang mit Medien sehr gewandte Versicherungsmathematiker Axel Kleinlein zum Vorstandschef gewählt. Mit ihm steht ein ausgewiesener Experte und Branchenkenner an der Spitze der Organisation, der für die Assekuranz ein harter Brocken sein dürfte.
    Der Verbraucher-Lobby in Deutschland fehlt im Unterschied zu den USA ein scharfes Schwert: die Sammelklage. In Deutschland gibt es so etwas im engeren Sinne nicht. Aber das kann sich ja ändern. Aufgerufen übers Fernsehen oder Internet könnten sich viele Verbraucher mit gemeinsamen Streitanliegen in Listen eintragen, und eine Instanz würde für alle stellvertretend vor Gericht ziehen. Rechtswissenschaftler Schwintowski ist der Überzeugung, dass so etwas heute schon möglich ist. Man müsste es nur einmal ausprobieren. »Möglicherweise lehnen die Obersten Richter dieses Vorgehen ab«, sagt er. »Aber dann sagen sie etwas dazu, woran sich die Kläger beim nächsten Mal orientieren

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