Die Angstmacher
Verbraucherschutz Beate Merk (CSU). »Sobald zwischen dem Rechtsanwalt und der Rechtsschutzversicherung eine Geschäftsbeziehung besteht, wächst die Gefahr einer Interessenkollision zulasten des Versicherten«, sagt sie. »Denn die Versicherung mindert ihr Kostenrisiko, wenn der Rechtsanwalt dem Versicherten vom Rechtsstreit abrät und es nicht zum Prozess kommt.« Die Ministerin hat die Versicherungsaufsicht aufgefordert, die Praxis von Rechtsschutzversicherern in dieser Frage zu prüfen. »Wenn eine Rechtsschutzversicherung ihre Kunden über qualifizierte Anwälte informiert, ist das als Serviceleistung durchaus zu begrüßen. Für mich ist die Grenze aber dann überschritten, wenn die Versicherten in unzulässiger Weise zur Wahl von Vertragsanwälten der Versicherung bewegt werden sollen«, sagt die Ministerin. Doch was ist zulässig und was nicht? Im Zweifel müssen das die Gerichte klären. Doch wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter. Vielen Kunden erscheint es hilfreich,von ihrem Rechtsschutzversicherer einen Juristen empfohlen zu bekommen. Sie lassen sich Telefonnummern und Adressen der Anwälte von den Versicherern gerne geben, weil sie selbst nicht wissen, an wen sie sich wenden könnten. Außerdem bekommen sie bei den Partneranwälten schnell einen Termin, denn die Juristen müssen dem Versicherer zusagen, dass sie gut erreichbar sind.
Weil der Markt für Rechtsschutzpolicen gesättigt ist, locken die Anbieter mit immer neuen Dienstleistungen. Kunden können vorab Verträge checken lassen, manche bieten – gegen Gebühr – Inkassodienste an. Fast schon zum normalen Inventar gehört die Möglichkeit, telefonisch Ratschläge von hoch qualifizierten Juristen auch in den Rechtsgebieten zu bekommen, die der Kunde nicht versichert hat. Bei vielen Versicherern zählt die Inanspruchnahme nicht als Schaden, sie können also danach nicht kündigen. Rechtsschutzversicherer sind dafür berüchtigt, dass sie ihren Kunden nach wenigen Schäden, je nach Kostenaufwand auch nach einem einzigen Schaden, kündigen. Wenn der Kunde für den Schadensfall eine Selbstbeteiligung vereinbart hat, muss er für die telefonische Hilfe nicht zahlen. Nähme er einen niedergelassenen Juristen in Anspruch, müsste er in die Tasche greifen. Für den Versicherer ist es billiger, wenn Kunden zum Telefonhörer greifen und nicht zum Anwalt gehen. Vor allem, wenn sie da erfahren, dass ihr aktuelles Anliegen nicht versichert ist. Dann kündigen sie den Vertrag möglicherweise. Den Beistand am Telefon werden sie dagegen als kostenlose Zugabe empfinden.
Vielen Verbrauchern ist beim Abschluss einer Rechtsschutzpolice nicht klar, dass der Vertrag in der Regel für genau definierte Rechtsgebiete geschlossen wird. Auch wenn die Sache »Familienrechtsschutz« heißt und der versicherte Bereich »privat« ist, gehört eine Scheidung nicht zu den versicherten Risiken. In den Werbeprospekten vieler Versicherer sieht das anders aus, da suggerieren die Bilder von Familien, dass auch die Kosten für die Trennung übernommen werden. Das gibt es aber nur alsZusatzbaustein bei der ARAG, gegen einen saftigen Beitragsaufschlag und eine längere Wartezeit nach Vertragsabschluss, bis der Versicherer zum ersten Mal zahlt. Kein Wunder, dass diese Zusatzpolice nicht viele Abnehmer findet.
Neuerdings bietet die Mehrzahl der Versicherer Kunden die außergerichtliche Streitbeilegung beim Profi an, die Mediation. Das ist billiger als ein Prozess. Auch hier locken viele Anbieter damit, dass Kunden die Mediation in nicht versicherten Rechtsgebieten wahrnehmen. Das Ergebnis kann aber für eine der beiden Seiten schlecht sein, ohne dass der Betroffene es merkt. Auch hier gilt: Gespart wird auf Kosten der Kunden. Wer eine außergerichtliche Streitbeilegung einem Prozess vorzieht, sollte auf jeden Fall einen unabhängigen Anwalt seines Vertrauens mitnehmen. Den zahlen aber die Gesellschaften oft nicht, wenn es bei dem Streit um ein nicht versichertes Rechtsgebiet geht.
Früher war die Rechtsschutzversicherung die Angelegenheit kleinerer, spezialisierter Versicherer. Mittlerweile haben die großen Konzerne dieses Feld ebenfalls entdeckt. Marktführer ist die DAS, die zu ERGO gehört. Die DAS gehört zu den 17 Rechtsschutzversicherern, die von der Verbraucherzentrale Hamburg wegen einer intransparenten Klausel abgemahnt wurden. Ebenfalls abgemahnt wurden Advocard, ARAG, DAS, DEUTRAG, ROLAND, Neue Rechtsschutz, Allrecht, AUXILIA, Badische, R+V, Alte Leipziger, DEVK,
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