Die Angstmacher
Concordia, HDI-Gerling, Itzehoer, DMB und Jurapartner. Die Verbraucherzentrale will erreichen, dass diese Unternehmen auf die Formulierung verzichten, der Kunde habe »alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte«. Bei dieser Formulierung bleibt völlig unklar, wozu der Kunde tatsächlich verpflichtet ist. So könnten Fehler des Rechtsanwalts dem Kunden zugerechnet oder außergerichtliche Klärungen als Pflichtverletzungen gewertet werden. Aufmerksam auf die Klausel wurden die Verbraucherschützer, als ein Richter des Bundesgerichtshofs bei einer Veranstaltung explizit darauf hinwies. »Wir dachten, das wäre einklarer Fall, der schnell erledigt ist«, sagt Verbraucherschützerin Castelló. Aber die Versicherer blieben hart und unterschrieben nichts. Sie ließen sich vor Gericht ziehen. Von den Verfahren gegen die Rechtsschutzversicherer hat die Verbraucherzentrale im ersten Anlauf fast alle gewonnen, einer ging bisher verloren. Wie die Sache insgesamt ausgeht, ist ungewiss.
Wegfall des Alles-oder-Nichts-Prinzips
Versicherer lassen es gerne auf einen Prozess ankommen, Verbraucher nicht. Mit der Reform des Versicherungsvertragsrechts 2008 hat es für Verbraucher eine wichtige Änderung gegeben: Das »Alles-oder-Nichts-Prinzip« ist weggefallen. Früher musste der Versicherer einen Schaden vollständig regulieren oder gar nicht zahlen, wenn der Kunde sich grob fahrlässig verhalten hatte. Der Versicherer übernahm nicht einen Teil des Schadens, es gab keine Entschädigung zwischen den Polen ganz und gar nicht. Grob fahrlässig verhält sich zum Beispiel, wer bei Rot über die Ampel fährt, das Fenster vor Verlassen des Hauses nicht schließt oder brennende Kerzen unbeaufsichtigt lässt. Bei einfacher Fahrlässigkeit muss der Versicherer so oder so zahlen, bei Vorsatz nie. In guten Versicherungsbedingungen verzichten die Anbieter allerdings auf die sogenannte Einrede bei grober Fahrlässigkeit, das heißt, sie tun so, als habe sich der Kunde nur einfach fahrlässig verhalten.
Nach der Reform kann die Gesellschaft auch bei grober Fahrlässigkeit die Zahlung, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht mehr ganz verweigern, sondern nur noch kürzen. Ganz verweigern können die Versicherer die Schadenregulierung zum Beispiel, wenn ein Autofahrer schwer betrunken einen Unfall verursacht und von seinem Kaskoversicherer Geld haben will. Abgesehen von solchen schwerwiegenden Fällen dürfen sie nicht die gesamte Leistung ablehnen. Doch sie dürfen einen Teil entsprechend des Grades des Mitverschuldens des Kunden streichen. Wie viel das sein soll, hat der Gesetzgeber nicht gesagt. Deshalb gibt es erst einmal eine Reihe von Einzelfallentscheidungen. Für Kunden ist das schlecht, denn sie können selten einschätzen, ob sie mit einem Abzug von 25, 50 oder 75 Prozent gut oder schlecht bedient sind. Wollen sie mehr, als der Versicherer anbietet, müssen sie Einspruch einlegen und notfalls vor Gericht ziehen. Doch die erwartete Prozessflut ist bisher ausgeblieben. Wer will schon einen Rechtsstreit riskieren, wenn der Vertreter sagt: »Seien Sie froh, dass Sie überhaupt etwas kriegen, früher hätten Sie gar nichts bekommen.« Zu den wenigen Gerichtsentscheidungen, die es bereits gibt, gehören die zum Überfahren einer roten Ampel zum Beispiel wegen blendender Sonne. Es scheint sich herauszukristallisieren, dass Autohalter nach so einem Fauxpas ihren Schaden zu 50 Prozent vom Kaskoversicherer ersetzt bekommen.
Mit der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes 2008 hat die Politik einige bizarre Regeln zum Wohle der Assekuranz abgeschafft. Zum Beispiel galt früher allen Ernstes ein Prinzip namens Unteilbarkeit der Prämie. Überwies ein Hausbesitzer im Januar die Prämie für die Wohngebäudeversicherung für das ganze Jahr, und der Anbieter kündigte den Vertrag nach einem Wasserschaden im März, bekam der Kunde nichts zurück. Jetzt bekommt der Kunde seine Jahresprämie anteilig zurück.
Auch die Kündigungsfristen für Kunden wurden verkürzt. Lang laufende Verträge sind seitdem nach drei Jahren kündbar, vorher waren es fünf Jahre. Mit dem neuen Versicherungsvertragsgesetz von 2009 wurde die Dreijahresfrist auch für die alten Policen in den Beständen der Versicherer verbindlich. Doch manche kriegen den Hals nicht voll und machen Kunden wegen geringer Prämien viel Ärger. Die Provinzial Rheinland sah die Rechtslage anders. Sie
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