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Die Angstmacher

Die Angstmacher

Titel: Die Angstmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Krueger
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Vorstandsvorsitzenden der Krankenkasse Barmer / GEK und früheren nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerin Birgit Fischer zur Geschäftsführerin des Verbands der forschenden Arzneimittelhersteller. Die Sozialdemokratin ist eine leidenschaftliche Verfechterin des Modells der Bürgerversicherung.
    Ihr Kostenproblem tragen die privaten Krankenversicherer auf dem Rücken der Kunden aus. Der Privatpatient gerät immer öfter zwischen die Fronten. Auf der einen Seite steht der Arzt, dessen Rechnung er bezahlt. Auf der anderen will der Versicherer das Geld für die Behandlung nicht erstatten. »Ich fühle mich von meinem Krankenversicherer gemobbt«, sagt ein ehemaliger Mathematiklehrer aus Bonn. Er leidet an Schlafapnoe und muss nachts mit einem Atemgerät schlafen. Auf dem Rücken. Seine Schulter ist beschädigt, und er hat massive Rückenprobleme. Oft hat er einen Hexenschuss. Die Kosten für die Behandlung will der Krankenversicherer nicht übernehmen. Stattdessen will er einen Behandlungsplan vom Arzt des Patienten. Der ehemaligeLehrer war der Meinung, dass der Versicherer den Plan selbst verlangen sollte und gab ihm eine Schweigepflichtentbindung. Der Versicherer schrieb den Mediziner an, aber der reagierte nicht. »Die wollten, dass ich gegen den Arzt vorgehe. Aber ich habe gesagt: Das ist nicht meine Aufgabe«, berichtet der Pensionär. Der Mann wartet immer noch auf einen Teil seines Geldes.
    Das Nebeneinander von privater und gesetzlicher Krankenversicherung ist eine deutsche Besonderheit. In keinem anderen Land gibt es solche Parallelstrukturen. Privatpatienten gelten als privilegiert. Früher galt: Wer gesetzlich versichert ist, sitzt im Gesundheitssystem auf der Holzbank. Er oder sie muss beim Arzt länger warten, landet im Krankenhaus womöglich im lauten Fünfbettzimmer und muss für eine gute Zahnsanierung tief, tief in die Tasche greifen. Der privat Versicherte dagegen bekommt umgehend einen Termin, liegt in der Klinik im Ein- oder Zweibettzimmer auf der Privatstation mit feinem Essen und besonders freundlichen Krankenschwestern und erhält beim Zahnarzt das Beste vom Besten. Beamte, Gutverdiener und Selbstständige durften in die exklusive private Krankenversicherung, und viele bilden sich noch heute viel darauf ein. Privatpatient zu sein bedeutet, privilegiert zu sein – glauben sie. Doch so schwarz-weiß ist die Lage nicht mehr. Die Krankenkassen haben heutzutage mehr Möglichkeiten, für ihre Versicherten beim Arzt oder in der Klinik gute Angebote auszuhandeln, und sie machen davon reichlich Gebrauch. Einige Krankenkassen wie die AOK Rheinland / Hamburg gehen sogar noch einen Schritt weiter und bieten ihren Versicherten eigene Zusatzpolicen an, zum Beispiel eine Brillenversicherung. Das bringt die privaten Krankenversicherer in Rage, schließlich wollen sie dieses Geschäftsfeld für sich allein haben. Die Zeit der Einheitstarife für gesetzlich Krankenversicherte ist vorbei. Wer will, kann auch unter dem Dach der Krankenkasse den Status eines Privatpatienten bekommen. Das ist aber teuer, und deshalb entscheiden sich wenige dafür.
    Umgekehrt können auch privat Versicherte den Status des gesetzlich Versicherten wählen. Ulla Schmidt (SPD) hat in ihrer Amtszeit als Gesundheitsministerin die privaten Krankenversicherer dazu gezwungen, eine Art Sozialtarif anzubieten, den Basistarif. Die Beiträge in der privaten Krankenversicherung steigen seit Jahren stetig und stark an. Kunden, die damit überfordert sind, können in den sogenannten Basistarif wechseln. Dafür dürfen die privaten Krankenversicherer höchstens einen Beitrag nehmen, der auf der Höhe der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung liegt, das sind knapp 600 Euro im Monat. Den Kunden stehen nur die Leistungen zu, die gesetzlich Versicherte erhalten. Viele haben sich nicht dafür entschieden, bis Ende 2010 waren es 21 000. Die privaten Krankenversicherer sind Sturm gelaufen gegen die Einführung des Basistarifs. Sie lehnen ihn ab, weil er nicht kostendeckend ist, sagen sie. Die Linksfraktion im Bundestag sorgt sich um die Gruppe von Basistarif-Privatpatienten. Nach ihrer Befürchtung könnten sie schlechter behandelt werden als die Kassenpatienten.
    Wer einmal im System der privaten Krankenversicherung gelandet ist, bleibt höchstwahrscheinlich für immer darin gefangen. Nur ausnahmsweise, etwa wenn man selbstständig war und dann eine sozialversicherungspflichtige Arbeit aufnimmt, kann man zurück in die

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