Die Angstmacher
Von Spenden an Grüne und Linkspartei ist nichts bekannt.
Bevor DVAG-Patriarch Reinfried Pohl seinen eigenen Finanzvertrieb gründete, war er bei der Verkaufsorganisation Bonnfinanz tätig. Das ist eine ähnliche Drückerkolonne wie AWD, die heute dem Versicherer Zurich gehört. Gegründet wurde Bonnfinanz vom Versicherer Deutscher Herold. Mit von der Partie war der einstige FDP-Bundesvorsitzende, Vizekanzler und spätere Christdemokrat Erich Mende. 1971 mietete Pohl im Bonner Konrad-Adenauer-Haus, der damaligen CDU-Bundesgeschäftsstelle, für Bonnfinanz vier Etagen. In diesem Zusammenhang begegnete er dem späteren Bundeskanzler Helmut Kohl das erste Mal. Später entwickelte sich eine enge Beziehung, bei der zumindest Pohl seinem Kumpel Kohl gerne zu Diensten war. »Ich habe Helmut Kohl zum Beispiel dadurch einen großen Gefallen getan, dass ich dem ehemaligen Präsidenten des Europaparlaments, Egon Klepsch, ein Angebot bei der DVAG machte. Für mein Unternehmen wurden später viele CDU-Politiker tätig, die aus der aktiven Politik ausgeschieden waren«, bekennt Pohl freimütig. 30 Ihn und Helmut Kohl verbindet eine tiefe Freundschaft. Ein fast ergreifendes Foto zeigt den vom Alter gezeichneten Kohl im Rollstuhl vor einem gefüllten Bücherregal, ihm zugeneigt der ebenfalls angejahrte Pohl mit einer Krücke in der Hand. Zwei alte Männer, die das Leben hinter sich haben.
Aber für Rührung gibt es wenig Anlass. Seine Truppen haben Reinfried Pohl zu einem schwerreichen Mann gemacht, mit derSchützenhilfe von Kohl und Kollegen. Laut Manager Magazin besitzt Pohl ein Vermögen von 2,3 Milliarden Euro und ist damit auf Platz 44 der reichsten Deutschen. Pohl hat das Gewerbe von der Pike auf gelernt. Er begann als Vertreter beim Kölner Gerling-Konzern. Später baute er mit Bonnfinanz den ersten deutschen Strukturvertrieb auf. 1976 schuf er die »Allgemeine Vermögensberatung«. Als Helmut Kohl den Sieg bei der Bundestagswahl 1983 zum Auftakt zur geistig-moralischen Wende ausrief, benannte Pohl das Unternehmen um in »Deutsche Vermögensberatung«.
Die Liste der Politiker, die in irgendeiner Weise mit der DVAG in Verbindung stehen oder standen, ist lang: Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) gehört ebenso dazu wie Exbundestagspräsidentin Anke Fuchs (SPD) oder der ehemalige hessische Ministerpräsident Walter Wallmann (CDU). Im Beirat des Unternehmens sind oder waren: Manfred Kanther (CDU, ehemaliger Bundesinnenminister), Theo Waigel (CSU, ehemaliger Bundesfinanzminister), Wolfgang Gerhard (FDP, Exfraktions- und Parteivorsitzender), Horst Teltschik (CDU, ehemals Kanzleramtschef), Bernhard Vogel (CDU, ehemaliger Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen), Petra Roth (CDU, Oberbürgermeisterin von Frankfurt am Main), Udo Corts (CDU, ehemaliger hessischer Wissenschaftsminister) sowie der ehemalige österreichische Ministerpräsident Wolfgang Schüssel (ÖVP) und der mittlerweile verstorbene Gerhard Stoltenberg (CDU, einst Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, dann Bundesfinanz- und Verteidigungsminister).
Der vormalige Kanzleramtschef Friedrich Bohl (CDU) wurde nach dem Regierungswechsel 1998 Generalbevollmächtigter der DVAG, sein Parteifreund und Exregierungssprecher Friedhelm Ost ebenso. Unter Friedhelm Osts Vorsitz lehnte der Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestags im Frühjahr 1998 einen Gesetzentwurf ab, mit dem Finanzvertrieben das Leben erheblich schwerer gemacht worden wäre. Was Drückerkönig Carsten Maschmeyer nach dem Ende der Kanzlerschaft Gerhard Schröders an Personal übernommen hat, ist dagegen kaum der Rede wert: Der stets adrette Regierungssprecher und frühere Bild -Redakteur Béla Anda wechselte von der Spree an die Leine.
Pohl hat den größten Finanzvertrieb Deutschlands aufgebaut. 37 000 Verkäufer arbeiten für ihn, davon 40 Prozent hauptberuflich und 60 Prozent nebenberuflich. Oft läuft es wie bei Frau A. Im Wohnzimmerregal der Geisteswissenschaftlerin stehen zwei prall gefüllte Ordner mit dem Logo der Deutschen Vermögensberatung. »Vermögensbuch« steht auf dem Rücken, »Mit uns in die Zukunft« und »Früher an Später denken!« auf der Vorderseite. Eines Tages hatte Frau A.s Bruder angerufen. Ob sie nicht eine Versicherung bei seinem Freund Lutz abschließen wolle, hatte er gefragt. Er würde dafür Geld bekommen. Die Aussicht, den Bruder finanziell unterstützen zu können, lockte Frau A. Bruder und Freund Lutz reisten eigens aus dem Sauerland nach Köln.
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