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Die Angstmacher

Die Angstmacher

Titel: Die Angstmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Krueger
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gesetzliche Krankenkasse. Das hat der damalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) eingeführt. Früher konnten gut verdienende Bürger sich der solidarischen Krankenversicherung entziehen, sich viel preiswerter privat versichern und im Rentenalter zurück in die Kasse – nicht nur für den Solidaritätsflüchtling eine prima Sache, auch die privaten Krankenversicherer profitierten davon. Sie mussten die Kosten für die medizinische Behandlung der ins Solidarsystem zurückgekehrten, kränker werdenden ehemaligen Kunden nicht tragen. Das ist vorbei. Wer über 55 Jahre alt ist, kann überhaupt nicht mehr in eine Krankenkasse zurück. Er muss für den Rest seines Lebens in der privaten Krankenversicherung bleiben. Dasist bitter und vor allem teuer. Kunden haben zwar das Recht, innerhalb eines Unternehmens den Tarif zu wechseln, zum Beispiel um weniger Beiträge zu zahlen. Aber die Unternehmen versuchen trickreich, das zu verhindern. Sie antworten einfach nicht auf Anfragen der Kunden oder malen Schreckensszenarien, wie schlecht sie bei einem Tarifwechsel versichert wären.
Provisionsexzesse
    Bleiben neue Kunden aus, wird es für die verbleibenden immer teurer. Deshalb versuchen die Gesellschaften aggressiv, ihre Bestände zu vergrößern. Ein Instrument sind die Provisionen für Vermittler. 2,7 Milliarden Euro haben die Unternehmen 2010 allein für »Abschlussaufwendungen« ausgegeben. Sie fließen zum größten Teil in den Vertrieb. Nach einer Umfrage des Branchendienstes Versicherungsjournal unter Vermittlern zahlte der private Krankenversicherer Hallesche Maklern für neue Verträge eine Abschlussprovision von bis zu 18 Monatsbeiträgen, Konkurrent Barmenia bis zu 16 und die Allianz Private Krankenversicherung bis zu 14 Monatsbeiträgen. Hallesche und Barmenia bestreiten Provisionszahlungen in dieser Höhe, wie viel sie den Vermittlern geben, wollen sie aber nicht sagen. Zu den Anbietern, die bis zu zwölf Monatsbeiträge zahlen, gehören der Umfrage zufolge die ARAG, die AXA, die Central, die Continentale, der Deutsche Ring, die Hanse Merkur und die Inter. Die Umfrage ist nicht repräsentativ, aber Provisionen in dieser Größenordnung und darüber sind nicht ungewöhnlich.
    Die privaten Krankenversicherer, die nicht so hohe Vermittlungsgebühren zahlen, wollten nicht tatenlos zusehen, wie ihre Kunden weggeholt werden. Sie haben die Politik um Hilfe gebeten. Die Berliner Parlamentarier haben den exorbitanten Zahlungen einen Riegel vorgeschoben. Ein Teil der Branche hat es für den Geschmack der Politiker zu bunt getrieben. Ab April 2012 dürfen die Versicherer nur noch maximal neun Monatsbeiträgean Provisionen zahlen. Doch viele in der Branche gehen davon aus, dass sich Vertriebe und Versicherer etwas einfallen lassen werden, um das zu umgehen. Hohe Vergütungen sind für die Vermittler eine Aufforderung, Kunden zum Wechsel des Krankenversicherers zu bewegen. In der privaten Krankenversicherung haben sich manche Versicherer geradezu darauf spezialisiert, der Konkurrenz die Kunden abzujagen. Für die Kunden, die Opfer dieser Strategie, ist das ziemlich schlecht. Sie zahlen nicht nur die Vergütung für den Vermittler mehrfach. Auch die Konditionen der Neuverträge werden schlechter. Der Preis für die Police hängt beim Abschluss vom Alter und Gesundheitszustand des Kunden ab. Je älter er ist, desto teurer wird es. Hat er gesundheitliche Probleme bekommen, muss er mit einem Beitragsaufschlag rechnen. Oder Ausschlüssen, die bei Billigtarifen ohnehin massenhaft vorkommen.
    Die Großzügigkeit der Unternehmen gegenüber den Vermittlern auf Kosten der Kunden hat einen einfachen Grund. Das Potenzial an Nachschub ist begrenzt. In die private Krankenversicherung wechseln können neben Beamten und Selbstständigen nur Gutverdiener, deren Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze von 49 500 Euro Jahreseinkommen im Jahr 2011 liegt. Diese Grenze erinnert an die Ursprünge der Sparte. Die private Krankenversicherung ist ein Erbe der Weimarer Republik. Nach dem Ersten Weltkrieg war sie neben der gesetzlichen Krankenversicherung unbedeutend. Groß geworden sind die privaten Krankenversicherer nach der Hyperinflation in Deutschland in den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts. Bis dahin hatten viele Menschen aus dem Mittelstand ihre Arzt- und Klinikrechnungen selbst bezahlt. Nachdem sie ihr Vermögen durch die Geldentwertung verloren hatten, entstand massenhaft das Bedürfnis nach Absicherung über private

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