Die Angstmacher
Jubelveranstaltungen immer wieder zu besichtigen. Nicht nur die Schmuddelkinder lassen aufreizend gekleidete, gut gebaute junge Frauen für sich auftreten. Die Hannoveraner VHV hat für die Vermittlermesse DKM in Dortmund Teilnehmerinnen von »Germanys next Topmodell« engagiert. »Auch eine Versicherung muss auf sich aufmerksam machen. Und einer Top-Versicherung helfen da Top-Models!«, begründete VHV-Vorstand Per-Johan Horgby in der Bild- Zeitung die Strategie. 34 Im Vorfeld der Vermittlermesse DKM 2010 wurde der geneigte Leser auf der Homepage des Maklerpools Fonds Finanz gefragt, ob er bereits im Jahr zuvor bei dem Event mit dabei war: »Dann erinnern Sie sich sicherlich noch an unser letztjähriges November-Playmate aus dem Playboy -Magazin, mit dem Sie sich an unserem Stand ablichtenlassen durften. Dieses Jahr erwartet Sie wieder eine besondere Überraschung. Aber verraten werden wir sie nicht. Nur so viel: Dieses Jahr gibt’s noch mehr Fleisch.« 35 2010 engagierte das Unternehmen Damen, auf deren nackten Rücken die Vermittler Werbung bewundern konnten. Maklerpools sind stets auf der Suche nach unabhängigen Vermittlern, die über sie ihr Geschäft abwickeln. Im Jahr 2011 hat Fonds Finanz auf den Einsatz weiblicher Reize auf der Messe verzichtet. Das Unternehmen bestreitet, dass das eine Reaktion auf den Skandal bei ERGO war.
Die Budapest-Episode ist nur der Auftakt für eine Reihe von Enthüllungen über den Strukturvertrieb der Hamburg-Mannheimer, die ein bezeichnendes Licht auf die Praktiken der Branche werfen. Es stellt sich heraus, dass Kunden Riester-Verträge mit höheren Kostenangaben erhalten haben, als die Vertreter ihnen vorher im schriftlichen Angebot überreicht hatten. ERGO zahlt an die Betroffenen einige Millionen nach. Die Vertreter haben außerdem zum Nachteil der Kunden Lebensversicherungen in Unfallpolicen umgewandelt. Hinter der schier nicht abreißen wollenden Kette von Skandalen steckt eine ganz eigene Geschichte, will das Unternehmen glauben machen. ERGO fühlt sich erpresst und hat Strafanzeige gegen drei Personen erstattet. Im August nimmt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf nach wochenlangen Vorprüfungen Ermittlungen auf. Selbst wenn es so sein sollte, dass »Budapest« und die übrigen Unregelmäßigkeiten als Teil einer Erpressung öffentlich werden – erpressbar muss sich ein Versicherer erst einmal machen.
Roadshow
Im Kino des Filmforums des Museums Ludwig in Köln sitzen Dutzende von Versicherungsmaklern. Das sind unabhängige Vermittler, die keinem Unternehmen verbunden sind – oder sein sollten. Die eigenen Vertreter der Gesellschaften können nur die Verträge des jeweiligen Unternehmens verkaufen, Mehrfachagenten die Policen verschiedener Versicherer, an die sie vertraglich gebunden sind. Vertreter und Mehrfachagenten sind ihren Auftraggebern, den Versicherern, verpflichtet. Sie müssen nicht für den Kunden das beste Angebot aus dem Hut zaubern. Makler schon. Sie sind dem Kunden gegenüber verpflichtet. Vielen Verbrauchern ist das klar. Die Makler werden für die Versicherer ein immer wichtigerer Vertriebsweg. Deshalb umgarnen sie diese Berufsgruppe besonders. Die Versicherer müssen die Makler so umwerben wie die Vertreter die Kunden. Ist der unabhängige Vermittler erst einmal vom Produkt eines Versicherers überzeugt, wird er es seinen Kunden empfehlen. Ob diese Überzeugungskraft wirklich aus dem Vertrag selbst strahlt oder andere Faktoren dafür verantwortlich sind, wer will das schon beurteilen? Wie die Arzneimittelhersteller Pharmareferenten haben, die den niedergelassenen Ärzten die Medikamente ihrer Auftraggeber mit Geschenken und Versprechen ans Herz legen, haben die Versicherer Maklerbetreuer. Die kommen beim unabhängigen Vermittler vorbei, mal mit einer guten Flasche Wein, mal mit der Aussicht auf eine schöne Reise – wenn die Abschlusszahlen stimmen. Aber selbstverständlich geht es wie beim Pharmareferenten nur um die Informationen.
Die vielen Makler im Kinosaal sind vom Lebensversicherer Dialog, der zur Generali Gruppe gehört, eingeladen worden. Im Foyer gibt es Kaffee und Croissants. Auf die Leinwand im Kino ist die Tagesordnung für heute projiziert. »Biometrietage 2011« steht da. Wie viele Unternehmen aus der Versicherungswirtschaft veranstaltet Dialog eine »Roadshow«. Die Vertriebsleute aus dem Unternehmen ziehen von Stadt zu Stadt, um Vermittlern ihre Produkte vorzustellen. In Berlin und Hamburg waren die Dialog-Leute schon, nach München
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