Die Angstmacher
aufgebaut wie eine Pyramide. Bei diesem System verdient jeder Vertreter an dem Verdienst des unter ihm Stehenden mit. Die Hamburg-Mannheimer International hat acht Hierarchiestufen, beginnend mit der Stufe A für Anwärter über die Stufen eins bis sechs mit einer weiteren Differenzierung auf der letzten Ebene. Von jedem Euro Verdienst geht ein bestimmter Teil an den nächsten, bis zur Spitze. Die Vertreter sind selbstständig, sie haben aber selbst keine Abschlussvollmacht und sind der Organisation damit völlig ausgeliefert. Angelockt werden sie mit der Aussicht, wie bei einem Franchise-Modell unabhängig arbeiten zu können.
Aggressive Verkaufstruppen
Seit Juli 2010 hat Jürgen Klopp, der Trainer von Borussia Dortmund, als »Botschafter« für die Hamburg-Mannheimer International geworben. Als der Skandal öffentlich wurde, hat sich der Meistertrainer schnell verabschiedet. Strukturvertriebe hatten in der Öffentlichkeit schon vor »Budapest« ein schlechtes Ansehen, das hatte Klopp wohl nicht gestört. Es ist offensichtlich, dass es bei ihnen nicht um Beratung, sondern nur um eines geht: Verkauf, Verkauf, Verkauf. Gerne segeln die Vertreter unter falscher Flagge als »Finanzoptimierer« oder »Vermögensberater« oder einfach nur »Berater«. Dabei ist der Begriff des Versicherungsberaters gesetzlich geschützt. Echte Versicherungsberater dürfen nur beraten und keine Verträge vermitteln.
Ob echter, ehemaliger oder kein Strukturvertrieb – die Verkaufsorganisationen funktionieren alle gleich: Erst einmal mussder neue Vertreter den gesamten Familien- und Bekanntenkreis mit allen möglichen Policen eindecken. Der Bedarf an Verkäufern ist groß. Je mehr Leute die Finanzvertriebe haben, desto mehr Familien und Bekannte können abgeklappert und mit fragwürdigen Verträgen bedacht werden und umso mehr Geld bleibt bei den Eignern des Vertriebs hängen. Die Vertriebe suchen gezielt nach kontaktfreudigen Menschen mit großem Bekanntenkreis. Um neue Verkaufstalente zu bekommen, versprechen die Unternehmen hohe Verdienstmöglichkeiten, locken mit Geschenken und geben oft eine Anschubfinanzierung – die sie selbstverständlich wiederhaben wollen. So verschulden sich viele Anfänger bei den Vertrieben. Wer die gewünschte Leistung nicht bringt, wird schnell aussortiert. Den Verkäufern bleibt gar nichts anderes übrig, als zu Beginn ihrer Tätigkeit ihre Bekannten abzuklappern. Sonst bleiben die Erfolge aus. Trennen sich die Vermittler im Streit von einer Vertriebsorganisation, müssen sie oft unterschreiben, dass sie sich zu internen Vorgängen nicht äußern. So verhindern die Vertriebe ungünstige Berichte über sich.
Verbraucherschützer liegen mit den Finanzvertrieben traditionell im Clinch. Das gilt auch für Edel-Finanzvertriebe wie MLP. Das Unternehmen aus Wiesloch ist auf Akademiker wie Ärzte und Ingenieure spezialisiert. Die Verkäufer treten als »Makler« auf. Sie sind legerer, lockerer und meistens auch gebildeter als ihre Kollegen von den anderen Truppen. Aber sie sind genauso aufdringlich und drängend. Sie verkaufen ihren Müttern, Vätern, Brüdern, Schwestern und deren Anhang bevorzugt Lebens- und Rentenversicherungen. Wegen der hohen Provision. Verwandte und Bekannte fühlen sich verpflichtet abzuschließen, auch wenn sie längst gut eingedeckt sind. Davon abgesehen gehen die MLP-Leute vor allem an den Hochschulen auf Kundenfang. Sie laden Studenten zu Bewerbungstrainings ein, bei denen es dann schnell um etwas anderes geht. Ist der Student erst mal Arzt oder Ingenieur, hat er viel Geld und braucht eine ganze Reihe von Policen für sich, seine Familie und später die Praxis oder denBetrieb. Deshalb unterstützt der Finanzvertrieb die Jobsuche und gibt Karriere-Ratgeber heraus. Auch wenn der Kunde mehrmals umzieht, behält er den persönlichen Betreuer.
Verbraucherschützer glauben nicht, dass die Finanzvertriebe gut beraten. Sie glauben, dass deren Abgesandte nur so viel wie möglich so schnell wie möglich verkaufen wollen. Aber diese Kritik steht im krassen Gegensatz zum Erfolg der Vertriebe. Immer wieder gibt es Schlagzeilen über die schlechte Beratung, immer wieder berichten Verbraucherzeitschriften und Fernsehmagazine darüber. Doch darauf scheint es gar nicht anzukommen. Erst Angst machen, dann Angst nehmen, das ist der Trick. Kommt der Vertreter mit seinem Laptop und erstellt eine individuelle Bedarfsanalyse, für deren Lücken er auch gleich die Lösung parat hat, ist der Kunde schwer
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