Die Angstmacher
können Ihre Mitarbeiter in 45 Minuten sechs Produkte verkaufen«, verspricht Laubach & Cie aus Bad Harzburg. 36 Wenn das so einfach wäre.
Manchmal funktionieren diese Tricks jedoch tatsächlich. Verkaufstechniken beruhen oft auf der richtigen Annahme: Keiner will etwas verkauft bekommen. Deshalb müssen Verkäufer geschickt vorgehen. Stellt ein Vertreter Fragen, will er oft etwas ganz anderes herausbekommen, als der Kunde denkt. »Meinungskontrollfragen« sind ein wichtiges Instrument. Der Verkäufer will kein Ja oder Nein hören. Er will, dass der andere etwas zu schildern beginnt, etwas beschreibt. Hat das Opfer zu plaudern begonnen, erhält der Vermittler unzählige Informationen, an denen er anknüpfen kann. Die Strategie für den gewieften Vermittler: Fragen stellen – am besten so, dass der Kunde wie in der AWD-Werbung von selbst daraufkommt, dass er etwas braucht. In Seminaren bekommen Interessierte verschiedene Techniken vermittelt, etwa das Vier-Phasen-Verkaufsgespräch. Erste Phase: Gesprächseröffnung, erster Eindruck; zweite Phase: Verkäufer stellt Fragen und hört gut zu; dritte Phase: Das Angebot wird auf die Bedürfnisse abgestimmt. Und in der vierten und letzten Phase wird der Verkauf festgezurrt. Populär bei Verkäufern ist auch die AIDA-Formel: Attention-Interest-Desire-Action: Aufmerksamkeit erregen, Interesse wecken, Bedürfnis erzeugen, Aktion bewirken.
Wir werden gekauft, wir verkaufen nicht
Der selbst ernannte Gegenentwurf zur Welt der ehrgeizigen Verkaufstruppen ist im äußersten Westen der Republik zu besichtigen. Der Zweckbau ist unauffällig, nur ein kleines Schild mit dem Unternehmenslogo über dem Eingang zeigt, wer hier zu finden ist. Sechs Minuten vom Saarbrücker Hauptbahnhof mit der Straßenbahn entfernt, unmittelbar an der Haltestelle Uhlandstraße, befindet sich die Firmenzentrale von Deutschlands größtem Direktversicherer. Wobei »Zentrale« die Sache nicht ganz trifft. Der Versicherer hat nur dieses eine Verwaltungsgebäude. Er hat keine Geschäftsstellen und keine Vertreter. Stattdessen verkauft CosmosDirekt ausschließlich über das Internet, per Telefon und per Post. »Wir werden gekauft, wir verkaufen nicht«, sagt Vorstandschef Peter Stockhorst. Ein Satz, den man öfter in diesem Haus hört. Er klingt wie eine bei einem Seminar zu Corporate Identity für Führungskräfte ausgegebene Parole. Hinter diesem Satz steckt ein anderes, nicht ein Verkaufskonzept. Immer mehr Menschen wollen keinen Vertreter bei sich zu Hause in der Wohnung sitzen haben, immer mehr durchschauen die Tricks der Vermittler und glauben, selbst genau zu wissen, was sie brauchen und was nicht. Auf diese stets wachsende Zielgruppe setzen Direktversicherer.
Verbraucher, die sich an diese Anbieter wenden, wissen tatsächlich oft, was sie brauchen und wollen. »Unsere Kunden sind gut informiert, sie vergleichen Preise und Bedingungen«, sagt CosmosDirekt-Chef Stockhorst. Aber damit Kunden wissen, dass und was sie bei der Gesellschaft kaufen können, muss diese eine ganze Menge werben. Abgesehen davon gibt es Konkurrenten. CosmosDirekt ist nicht der einzige Direktversicherer. Im Internet und im Fernsehen ist nicht nur dieses Unternehmen sehr präsent, auch Wettbewerber wie ERGO Direkt und Hannoversche Leben machen sehr viel Werbung. Die Manager konventioneller Versicherer behaupten gerne, dass die Direktversicherer für Marketing so viel ausgeben wie die Traditionalistenfür Abschlussprovisionen. Das bestreitet Stockhorst, und seine Kollegen von der Konkurrenz dementieren das auch. Aber was sein Unternehmen für Werbung ausgibt, will er nicht sagen. Er begründet das mit dem Standardargument, mit dem Manager aus der Assekuranz dem Wunsch nach mehr Transparenz stets begegnen: »Das müssen unsere Wettbewerber nicht wissen.« Geschäftsgeheimnis, sagt er und verweist auf die Abschlusskosten, die im Geschäftsbericht ausgewiesen sind. »Für die Akquisition, den Abschluss und die Bearbeitung der 72 678 Neuverträge sind 66,4 Mio. Euro (Vj. 63,8 Mio. Euro) aufgewendet worden«, heißt es da. 37 Beobachter können nicht nachvollziehen, ob die Ausgaben für Werbung hoch oder niedrig sind. Zum Vergleich: ERGO, immerhin die Nummer zwei auf dem deutschen Markt, hat für seine Werbekampagne rund um die Einführung der Marke ERGO circa 50 Millionen Euro in einem Jahr ausgegeben, einschließlich der Kosten für neue Schilder, Dekoration und Stempel für die Neugestaltung der Agenturen. Die ebenfalls sehr
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