Die Angstmacher
kommen, rechnet Extremus mit einer ad hoc steigenden Nachfrage. Darauf ist die Gesellschaft mit einem »Kurzzeittarif« vorbereitet. Der ist teurer als die Tarife für die Stammkunden. Treue soll belohnt werden, auch beim Terrorversicherer.
250 Nuklear-Risiken
Dirk Harbrücker hat noch einen zweiten Job, den er an gleicher Stelle ausübt – und da muss er sich durchaus mit Schäden befassen. Er ist auch Geschäftsführer der Deutschen Kernreaktor-Versicherungsgemeinschaft, dem deutschen Atompool. Zu dieser Versicherungsgemeinschaft, die es seit mehr als 50 Jahren gibt, gehören ebenfalls die großen Anbieter. Sie versichern nicht nur Kernkraftwerke, sondern auch Lagerstätten. Beim Atompoolholen sie sich Rückversicherungsschutz. Deshalb kommt dieser auch mit neun Leuten aus. Hier sind die Atomlager Ahaus und Gorleben versichert, das Lager Asse aber nicht, denn es wird vom Staat betrieben. Auch das US-amerikanische Atomkraftwerk Three Mile Island nahe Harrisburg im Staat Pennsylvania, das im März 1979 havarierte und nach Tschernobyl und Fukushima den bislang weltweit drittschwersten AKW-Unfall produzierte, war unter anderem beim deutschen Atompool versichert. Damals zahlten die Versicherer rund 60 Millionen Dollar, das meiste davon für rechtliche Auseinandersetzungen, aber auch für Evakuierungskosten und Ähnliches. Der deutsche Atompool war mit 5 Prozent daran beteiligt, zahlte also rund drei Millionen Dollar. Auch für Schäden in Japan hat der Atompool in der Vergangenheit schon kleinere Summen gezahlt, zum Beispiel für eine defekte atomare Abfallanlage. Für die Nuklearkatastrophe von Fukushima im März 2011 muss er nicht zahlen. Der deutsche Atompool versichert keine japanischen Atomkraftwerke gegen Erdbeben und Tsunami. Auch die japanischen Versicherer haben das ausgeschlossen. Fukushima-Betreiber Tepco ist beim japanischen Staat versichert.
Bevor die im Atompool zusammengeschlossenen Versicherer ein AKW versichern, lassen sie Ingenieure vor Ort eine genaue Risikoanalyse vornehmen. Der Atompool selbst hat einen Ingenieur, weitere bekommt er über Rückversicherer und große, weltweit tätige Erstversicherer. »Unsere Ingenieure machen sich ein genaues Bild«, sagt Harbrücker. Sie prüfen, ob Reparaturen fachgerecht ausgeführt werden und ob der Feuerschutz in Ordnung ist. Das ist nicht immer der Fall. Der Atompool nimmt nicht alles, es kommt durchaus vor, dass er Objekte ablehnt. Dann sollten die Alarmanlagen bei den Sicherheitsbehörden vor Ort klingeln. Aber die erfahren nichts davon. Vertrauen gehört zum Geschäft.
Weltweit gibt es 440 Atomkraftwerke. Der deutsche Atompool hat 250 Kraftwerke, weitere Anlagen und Lagerstätten in seinen Büchern. Weil er nicht nur Atomkraftwerke versichert,wird es ihn auch noch geben, wenn in Deutschland im letzten AKW das Licht ausgegangen ist. Dann wird er weiterhin im Ausland Verträge verkaufen und in Deutschland die Lagerstätten versichern. »Bereits heute kommen zwei Drittel unseres Geschäfts aus dem Ausland«, sagt Harbrücker.
Die deutschen Atomkraftwerke haben eine Sach- und eine Haftpflichtversicherung. Der Haftpflichtschutz liegt auschließlich beim deutschen Atompool, die Sachdeckung nicht. Mit der Sachversicherung decken die Betreiber die eigenen Schäden bei einem Unfall ab. Manche wollen Deckungen bis 500 Millionen, manche bis zu einer Milliarde Euro. Mit der Haftpflichtversicherung sollen die Schäden von anderen gedeckt werden. Für Schäden an Dritten haften die Betreiber unbegrenzt. Wie hoch die Deckungssumme der Haftpflichtversicherung ist, legt das Gesetz fest. Rot-Grün hat die Deckungssumme auf 2,5 Milliarden Euro heraufgesetzt. Die Versicherungswirtschaft deckt davon nur 256 Millionen. Der Rest wird über eine komplizierte Vereinbarung zwischen den Betreibern getragen. Kritiker monieren, dass diese Summen viel zu gering sind. Experten aus der Assekuranz sind der Überzeugung, dass Atomrisiken nicht versicherbar sind. Markus Rosenbaum, Geschäftsführer der Versicherungsforen Leipzig, geht von einem Schaden durch einen Super-GAU von bis zu 6000 Milliarden Euro aus. Die Versicherungsforen Leipzig sind als Dienstleister für die Versicherungswirtschaft tätig. Die Forscher sind zu dem Schluss gekommen, dass Versicherer für einen angemessenen Schutz eine Prämie von 72 Milliarden Euro im Jahr pro Atomkraftwerk verlangen müssten.
1. Die verlogene Kampagne von ERGO
E s ist ein regnerischer Morgen im August 2011, kurz vor zehn Uhr. Vor der
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