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Die Angstmacher

Die Angstmacher

Titel: Die Angstmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Krueger
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Versicherer etwas, was in die Sphäre der Werbung gehört. Nicht in die Wirklichkeit.
Lehrbeispiel für das falsche Spiel der Branche
    Schnell hatte die ERGO-Unternehmensführung nach Bekanntwerden von »Budapest« eine Sprachregelung parat, mit der sie an die Öffentlichkeit ging. »Peinlich, unglaublich peinlich« sei das alles, heißt es seitdem immer wieder. Ob Vertreter, Messestand-Betreuer, hochrangige Manager oder der Vorstandsvorsitzende Torsten Oletzky, alle haben sie diese Formulierung parat. Alle sind sie darauf bedacht, bloß nicht den Verdacht zu erwecken, sie wollten irgendetwas beschönigen, verniedlichen oder gar vertuschen. Das ist die Taktik, die hervorragend zur groß angelegten Werbekampagne mit eingängigen Slogans wie »Klartext statt Klauseln« passt. Die Pressekonferenz zu den »aktuellen Vorwürfen« ist der Versuch, auf den Reset-Knopf zu drücken. Die Strategie ist so frech wie genial: Die Aufarbeitung der öffentlich gewordenen Skandale wird zum Teil der begonnenen PR-Kampagne. Hier findet sich vieles von dem wieder, was die Versicherungswirtschaft auf dem Kerbholz hat. Ein Lehrbeispiel für das falsche Spiel der Branche. Abzocken, aber das als tolles Angebot preisen. Transparenz vorgeben, aber denKunden täuschen. Klarheit predigen, aber Kauderwelsch liefern. Lernbereitschaft demonstrieren, aber aus Fehlern keine Konsequenzen ziehen. Beispiel Riester-Rente: Die »Kaiser-Rente« der Hamburg-Mannheimer pries das Unternehmen als besonders leistungsstark an, den Kunden zog es aber erst 12, dann 16 Prozent seiner Beiträge und der Zulagen ab. »Die Kosten sind in der Tat hoch«, räumt ERGO-Chef Torsten Oletzky ein. »Aber sie sind nicht branchenunüblich.« Als würde es das besser machen.
    Nach der Umstellung von 12 auf 16 Prozent haben Vertreter den Kunden Angebotsunterlagen gegeben, auf denen noch die alten falschen, aber besser aussehenden Zahlen aufgeführt waren. Ein Wunder, dass so etwas einem Kunden überhaupt auffiel. Der machte das Unternehmen auf den Fehler aufmerksam. Der Versicherer reagierte bei ihm und in anderen Einzelfällen, korrigierte den Fehler aber nicht bei allen Verträgen. Es sei keine böse Absicht gewesen, nur ein Versehen, heißt es bei ERGO. Beim Nachdruck eines Formulars sei etwas schiefgegangen. Eine Zusatzerklärung sollte den Fehler korrigieren, wurde aber nicht flächendeckend verteilt. Wieso es überhaupt zu falschen Angaben kam – leider, leider kann ERGO das nicht mehr feststellen. Die seinerzeit beauftragte Setzerei sei mittlerweile insolvent, der Insolvenzverwalter habe keine Unterlagen. Systematisch den Fehler auszuräumen wäre teuer geworden. »Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet der Versicherer, der das Kleingedruckte abschaffen will, über das Kleingedruckte stolpert«, gibt sich ERGO-Chef Torsten Oletzky zerknirscht. Ironie der Geschichte?
    Verbraucherschützer sehen das ganz anders, wenn sie an die Machenschaften des Unternehmens und seinen vermeintlichen Feldzug gegen unverständliche Klauseln denken. »Es ist zynisch, dass ausgerechnet ein Versicherer wie ERGO so eine Kampagne auflegt«, sagt Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg. Ausgerechnet ERGO stellte sich so dar, als wäre das Unternehmen der große Ausnahmeversicherer, der einfühlsame Kundenversteher. Der auf der Seite der Verbraucher steht, deralles offenlegt und nichts verklausuliert, der weiß, wie schwer es die Menschen mit der Assekuranz haben – mit den anderen Versicherern, versteht sich. Das ist der Subtext. Die pompöse Werbekampagne »Versichern heißt verstehen« flankierte die Einführung der neuen Marke ERGO.
PR statt Praxis
    Schon die Art und Weise, wie der Konzern den Anlass der neuen Markenstrategie kommuniziert, ist alles andere als offen und ehrlich. Ohne Vorwarnung beruft ERGO im November 2009 an einem Freitagmorgen eine Telefonkonferenz für die Presse ein. Das ist ungewöhnlich. Normalerweise werden Termine für Journalisten von Versicherern nicht unmittelbar vor Beginn angekündigt, sondern Tage, wenn nicht Wochen vorher. In der Telefonkonferenz präsentiert ERGO-Chef Torsten Oletzky eine große Überraschung: Die Marken Victoria und Hamburg-Mannheimer verschwinden. Beide sind traditionsreich und gehören zu den größten Einzelgesellschaften in der fragmentierten deutschen Versicherungsbranche. »Die ERGO Versicherungsgruppe wird in Zukunft Lebens- und Sachversicherungen unter der Marke ERGO in Deutschland anbieten«, lautet der

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