Die Angstmacher
Harbrücker ist Vorstand von Extremus, einem Unternehmen, das landläufig die bizarre Bezeichnung »Terrorversicherer« trägt. Dabei versichert Extremus keine Terroristen, sondern Unternehmen gegen die finanziellen Folgen von Terroranschlägen. Die breite Öffentlichkeit weiß kaum etwas von seiner Existenz. Der »Terrorversicherer« hat seinen Sitz im dritten Stock eines unscheinbaren Bürohauses an der Aachener Straße in Köln. »Extremus / DKVG« steht am Klingelschild. In den Büroräumen hängen anders als bei vielen anderen Versicherern keine teuren Kunstwerke, sondern alte Plakate von Automessen und Schiffslinien. »Wir haben eine sehr schlanke Struktur«, sagt Dirk Harbrücker. Das kann man wohl sagen. Nicht mal ein Dutzend Angestellte hat der Versicherer. Im Falle eines Falles würde ein Schaden hier auch nicht wirklich reguliert. Das würde Extremus an die Schadenabteilung eines anderen Versicherers delegieren.
Ganz ohne Angst geht es auch bei Extremus nicht. »Ist der weltweite Terror wirklich so weit weg, wie wir gerne glauben?«, steht auf der Startseite des Versicherers im Internet unter fünf Fotos offenkundig von Anschlägen zerstörter Gebäude. Aber das ist auch schon alles an Furchtappell. Werbung für seine Policen macht Extremus nicht. Ein Flugblatt für die Außendarstellung, eine Literaturliste mit 34 Titeln von Samuel Huntingtons umstrittenem Krieg der Kulturen über Terror und Liberalismus von Paul Berman bis zu Die neue Al Qaida des Spiegel-Online -Redakteurs Yassin Musharbash – wer Versicherungen gegen Terroranschlägeverkauft, könnte das auch anders machen. »Wir wollen fachlich informieren, wir wollen keine Angst aufbauen«, sagt Vorstand Dirk Harbrücker. »Wer uns kennen muss, der kennt uns auch.«
Das Produktinformationsblatt von Extremus für die Kunden ist an Übersichtlichkeit und Verständlichkeit vorbildlich. Davon könnte so manches Unternehmen viel lernen. Dabei richtet es sich an Profis. Privatleute können sich hier nicht versichern, nur Unternehmen – und die haben in der Regel professionelle Versicherungseinkäufer oder arbeiten mit spezialisierten Versicherungsmaklern zusammen. Etwa 1300 Unternehmen sind bei Extremus versichert, darunter viele mit Immobilienbesitz und Immobilienfonds. Banken und Kapitalanleger wollen, dass die Gebäude gegen möglichst viele Risiken geschützt sind, Terror gehört dazu. Mit einer Police bei Extremus versichern die Firmen Sachwerte und Verluste, die aus einer Betriebsunterbrechung nach einem Anschlag resultieren. Menschen versichert Extremus nicht.
Dass der »Terrorversicherer« überhaupt existiert, liegt an der Risiko-Aversion der Industrieversicherer. Der 11. September 2001 veränderte nicht nur die politische Welt, er erschütterte auch die Assekuranz. Nicht nur, weil die Anschläge auf das World Trade Center selbst ein gigantischer Versicherungsschaden waren. Es dauerte Jahre, bis sich der Bauunternehmer Larry Silverstein, der Pächter des World Trade Centers, mit den Versicherern geeinigt hatte. Der Streitpunkt: Handelte es sich um einen Anschlag oder um zwei Anschläge? Die Versicherer argumentierten, es habe sich um einen Anschlag gehandelt, auch wenn zwei Flugzeuge in die Türme flogen. Der Eigentümer bestand darauf, dass es zwei Ereignisse waren. Ein großer ökonomischer Unterschied: Bei einem Ereignis hätten die Versicherer die Versicherungssumme von 3,5 Milliarden Dollar einmal zahlen müssen, bei zwei Ereignissen wäre die Summe zweimal fällig gewesen. Die Versicherer, darunter die Allianz, versuchten ihre Sicht durchzusetzen. Die Gerichte entschieden mal so und mal so. Schließlich einigten sich die Kontrahenten in der Mitte.
Unmittelbar nach dem 11. September 2001 fürchteten die Versicherer auf der ganzen Welt weitere Anschläge. Bis dahin war in den Versicherungsverträgen für Industrie und Bürotürme das Terrorrisiko eingeschlossen. Verträge für Unternehmen, vor allem für große, werden häufig nur für ein Jahr geschlossen und im Herbst neu verhandelt. Die Preise werden so Jahr für Jahr neu festgesetzt. In vielen Fällen hängen sie davon ab, welche Preis- und Bedingungspolitik die Rückversicherer betreiben. Rückversicherer sind eine Art Großhändler des Risikos. Sie versichern die sogenannten Erstversicherer, jene Unternehmen, die direkt mit Privatleuten oder Unternehmen Verträge abschließen. Damit diese Gesellschaften nicht pleitegehen, wenn zum Beispiel nach einer Naturkatastrophe zu viele
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