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Die Angstmacher

Die Angstmacher

Titel: Die Angstmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Krueger
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jemand wird es gewesen sein, dem die falsch ausgewiesenen Kosten bei den Riester-Renten der Hamburg-Mannheimer aufgefallen sind. Aber diese vorbildlichen Verbraucher sind die absolute Ausnahme. Wen man fragt, wo man hinkommt, kaum jemand liest seine privat abgeschlossenen Verträge von der ersten bis zur letzten Zeile. Öffentlich zugeben will das kaum einer. Auch Juristen quälen sich nicht durch das Klausel-Kauderwelsch, obwohl sie noch am ehesten dazu in der Lage wären, es zu verstehen. Allenfalls Manager und Funktionäre aus dem Lager der Assekuranz, die als bekennende Klausel-Abstinenzler Hohn und Spott fürchten müssten, behaupten, sie würden ihre Versicherungsverträge lesen. Eine Fleischereifachverkäuferin würde wohl auch nicht zugeben, dass sie Vegetarierin ist.
Seehund ja, Kuh nein
    Der gute Bürger liest sich gründlich durch, was er unterschreibt. Das wird allgemein von ihm verlangt. Wenn er darauf verzichtet, fordern Bekannte, Kollegen und alle anderen wenigstens ein schlechtes Gewissen. Selbst schuld, wer sich mit seiner Unterschrift mit etwas einverstanden erklärt, was er nicht versteht – das ist die einhellige Meinung. Im Schadensfall hat er eben Pech gehabt. Das sehen auch die Versicherer so. Aber es ist aberwitzig, von Menschen zu verlangen, sich durch etwas durchzuarbeiten, was sie gar nicht verstehen können. Versicherungsbedingungen stehen nicht für sich. Sie sind eingebettet in viele Gesetzeswerke,die wiederum miteinander konkurrieren. Die Lage ist schon bei einfachen Dingen kompliziert, zum Beispiel in der Autoversicherung. Kollidiert ein Auto mit einer Kuh, zahlt die Teilkasko möglicherweise nicht. Bei einem Zusammenstoß mit einem Seehund aber auf jeden Fall. Wie soll der gesunde Menschenverstand das begreifen? Der Blick in die Versicherungsbedingungen hilft nicht unbedingt weiter.
    Ob Seehund, Kuh oder Reh – bei der Voll kasko ist die Lage übersichtlich. Da reguliert der Versicherer immer den Schaden. Kompliziert dagegen liegt die Sache, wenn das Auto nur teil kaskoversichert ist. Häufig sehen die Bedingungen vor, dass der Versicherer nur für Schäden aufkommt, die durch »Haarwild« verursacht werden. Unter Haarwild dürften viele Nicht-Zoologen auch Kühe fassen, schließlich haben diese Tiere ja Haare. Aber als Haarwild gelten alle Tiere, die das Bundesjagdgesetz in Paragraf 2, Absatz 1, Nummer 1 aufzählt. Auf der illustren Liste finden sich neben Rotwild, Feldhase, Luchs und Fuchs unter anderem Seehunde, Schneehasen und Wisente. Dagegen stehen die in den hiesigen Breitengraden viel häufiger anzutreffenden Kühe, Ziegen, Schafe, Schweine oder Pferde ebenso wenig auf der Liste wie Fasane, andere große Vögel oder Hunde und Katzen. Juristen haben diese Definition vor Jahrzehnten festgelegt, um Rechtssicherheit zu schaffen – für die Versicherer. Statt die Definition in den Bedingungen standardmäßig zu erweitern, machen die Versicherer aus der Lücke ein Geschäft. Sie bieten Kunden an, den Schutz auf Tiere zu erweitern, die das Bundesjagdgesetz nicht aufzählt. Aber sie regeln das so unterschiedlich, dass Verbraucher kaum die Möglichkeit haben, den Markt zu überschauen.
    Bei einigen Häusern ist der erweiterte Schutz schon in der Grundausstattung der Teilkasko. Der neue Autotarif der Allianz etwa umfasst auch die Regulierung von Schäden nach einem Zusammenstoß mit Rindern, Pferden, Schafen und Ziegen. Für Kollisionen mit Schweinen oder dem in Mecklenburg-Vorpommern heimisch gewordenen riesigen Laufvogel Nandu zahlt derVersicherer nicht automatisch. Dafür gibt es einen Zusatzbaustein, der Unfälle mit »Tieren aller Art« abdeckt. Er kostet einen Golffahrer in Braunschweig 5 Euro im Jahr. Das ist nicht viel. Andere Häuser verlangen aber nichts extra. Auch der Münsteraner Versicherer LVM geht in seinem Grundschutz in der Teilkasko über Reh und Hirsch hinaus. Hier sind Kollisionen »mit allen Wirbeltieren« in sämtlichen Tarifen versichert. Solange keine Rieseninsekten unterwegs sind, dürfte das reichen. Bei der DEVK ist im Billigtarif nur Haarwild versichert, im Standardtarif sind es alle Tiere. Die Aussichten stehen übrigens schlecht, dass nach einem Unfall mit einer Kuh deren Besitzer den Schaden begleicht. Halter von Nutztieren haften nur sehr eingeschränkt. Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein hat entschieden, dass ein Bauer selbst dann nicht für den Schaden durch sein wild gewordenes Rind zur Verantwortung zu ziehen ist, wenn er die Koppel

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