Die Angstmacher
Hobbyraum. Die Versicherung zahlte nicht. »Ich dachte: Die spinnen ja wohl«, empört sich der Hausbesitzer. Aber der Versicherer war völlig im Recht. Das Wasser kam von draußen, die Gesellschaft kommt aber nur bei Leitungswasserschäden auf. Für Schäden durch Wasser bei Starkregen brauchen Eigentümer eine Elementarzusatzdeckung. Die hatte der Unternehmer nicht, und das hatte ihm auch keiner gesagt. Die Elementarschadenversicherung müssen Immobilienbesitzer haben, wenn sie nach einem Erdbeben, einer Überschwemmung, einem Starkregen oder einem anderen durch Naturgewalten verursachten Schaden vom Versicherer Geld sehen wollen.
Gerade in der Gebäudeversicherung warten viele Untiefenauf Kunden. Gerade hier ist es besonders gemein. Viele legen sich ihr ganzes Erwerbsleben für das eigene Häuschen krumm. Sie wollen es als Altersvorsorge nutzen und es vererben. Sie hängen an ihrer Immobilie. Haben sie einen Schaden, leiden sie nicht nur finanziell. Brennt das Haus ab, muss der Kunde das Gebäude innerhalb von drei Jahren wieder aufbauen, sonst bekommt er nur den Zeitwert. Der Zeitwert ist das, was ein Gegenstand oder ein Gebäude zum Zeitpunkt der Zerstörung Wert ist. Der Neuwert dagegen ist die Summe, die der Eigentümer braucht, um etwa ein Haus durch ein gleichwertiges neues zu ersetzen. Ein neues Wohngebäude zu errichten kostet einige 100 000 Euro, ein abgewohntes kann durchaus einen Zeitwert von deutlich unter 100 000 Euro haben. Für Senioren kann die Wiederaufbaupflicht für ihr Haus ein Problem sein, sie bekommen möglicherweise wegen ihres Alters keinen Kredit für den Aufbau. Wo es geht, knausert die Assekuranz: Heimwerkern, die beim Wiederaufbau ihres Hauses selbst Hand anlegen, wollten Versicherer Geld abziehen. Diesen Versicherern hat der Bundesgerichtshof allerdings einen Strich durch die Rechnung gemacht. Der Versicherer darf nicht aus der Eigenleistung des Hausbesitzers Profit ziehen. Das Unternehmen muss ihn so entschädigen, als hätte er Handwerker beauftragt.
Mit einer Allgefahrendeckung wären Kunden viele Sorgen los. Vor allem wären sie wirklich geschützt. Als im März 2009 das Kölner Stadtarchiv einstürzte, wurden benachbarte Häuser mit in den Abgrund gezogen oder schwer beschädigt. Die Einsturzursache ist noch nicht genau geklärt. Sehr wahrscheinlich hängt der Einsturz mit Bauarbeiten für eine neue U-Bahn zusammen. Die privaten Gebäude- und Hausratversicherer waren für den Schaden nicht zuständig. Dass einem Mieter oder Eigentümer der Boden unter den Füßen weggezogen wird, ist nicht versicherbar. In so einem Fall können die Geschädigten nur darauf hoffen, dass jemand eine Spendenkampagne für sie organisiert. Denn bis geklärt ist, wer in solchen Fällen haften muss, vergehen oft Jahre. Oder die Öffentlichkeit blickt auf das Geschehen, dann können Geschädigte auf Kulanz hoffen. Von den 245 Anspruchstellern, die sich nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs meldeten, haben 218 bis Ende November 2011 eine Entschädigung bekommen. Die Kölner Verkehrsbetriebe, der Bauherr der U-Bahn, hat aus Kulanz bezahlt, ihr Haftpflichtversicherer hat von der bislang gezahlten Entschädigungssumme in Höhe von 5,6 Millionen Euro 2,8 Millionen Euro übernommen. Von den Eigentümern der beiden zerstörten Gebäude ist einer mittlerweile voll entschädigt worden. Der andere bisher nicht, das Verfahren läuft noch.
Für die Assekuranz ist das Prinzip der benannten Gefahren gut. Damit lassen sich prima Geschäfte machen. »Das Zauberwort für die Versicherer heißt Alleinstellungsmerkmal«, sagt Versicherungsexperte Gatschke. »Die Versicherer versuchen irgendeine zusätzliche Komponente in die Verträge einzubauen, damit die Policen nicht vergleichbar sind.« Dem Kunden wird so ein Vertrag als etwas ganz Besonderes verkauft, das »Alleinstellungsmerkmal« rechtfertigt den höheren Preis. Das gilt auch für Zusatzleistungen für alle denkbaren Szenarien, wie die Unterbringung von Tieren im Notfall oder die Entfernung von Insektennestern. Ist das Haus an einer befahrenen Straße, sollten Schäden durch auf das Gebäude prallende Fahrzeuge versichert sein, empfehlen Vermittler. Bäume können auf Häuser stürzen, auch Solaranlagen müssen versichert sein. Wasserrohre sind ein großes Problem. Rohre mit abfließendem Wasser sind in vielen Verträgen nicht versichert. Platzt das Rohr, muss es ausgegraben werden. Es gibt so viele Zusatzmöglichkeiten wie denkbare Gefahren. Und an jeder
Weitere Kostenlose Bücher