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Die Angstmacher

Die Angstmacher

Titel: Die Angstmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Krueger
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die Reparatur in Osteuropa niedriger sind als in Deutschland. »Wenn man sieht, dass total ausgebrannte Autos gekauft werden, fragt man sich schon, was damit gemacht wird«, sagt ein Insider. »Da kann schon die Vermutung aufkommen, dass so mancher ein Wrack wegen der Papiere und nicht wegen des Materials kauft.« Kann das wirklich sein: Versicherer organisieren den Verkauf von Schrottautos, mit denen gestohlene Wagen legalisiert werden? Für deren Diebstahl sie womöglich gezahlt haben? Die Versicherer bestreiten das. »Es ist zutreffend, dass dubiose Aufkäufer versuchen, Fahrzeuge ausschließlich wegen der Papiere zu erwerben, um damit gestohlene Pkws zu legalisieren. Bei den Restwertbörsen, mit denen wir zusammenarbeiten, ist dies jedoch so nicht möglich«, sagt Marktführer HUK-Coburg.
Wenn ein Mensch zweimal zum Opfer wird
    Die Versicherer sind nicht nur rigide, wenn es um Sachschäden geht. Es ist ein ganz normaler Arbeitstag, an dem Marion Marbach im Juni 2004 zur Arbeit am Lufthansaschalter im Frankfurter Flughafen fährt. Ihren richtigen Namen möchte sie aus Rücksicht auf ihre heranwachsende Tochter nicht nennen. Als die damals Vierundvierzigjährige auf dem Weg zur Arbeit ist, ist sie mit ihrem Leben rundum zufrieden. Alles läuft bestens, auch wenn sie und ihr Mann sich vor fünf Jahren getrennt haben. 1982 ist sie zur Lufthansa gegangen. Erst hat sie als Stewardess gearbeitet, dann beim Bodenpersonal. Sie verdient gut. Mit ihrer Tochter lebt sie in einem schönen Haus, Bruder und Großeltern leben direkt in der Nachbarschaft. Die zwölfjährige Tochter entwickelt sich prächtig. Marion Marbach hat ihre Arbeitszeit auf 30 Stunden aufgestockt, bald will sie wieder voll arbeiten. Sie ist voller Pläne. Seit sie neunzehn ist, singt sie in Rockbands. Im Vorjahr hat sie bei einem Musikprojekt der Lufthansa einen eigenen Song aufgenommen. Vor ein paar Wochen war sie auf Mallorca, um ein Video zu drehen und weitere Auftritte vorzubereiten. An diesem 24. Juni ist die Autobahn zum Frankfurter Flughafen leer. Es ist 5.30 Uhr, und Marion Marbach ist mit ihrem Fiesta auf dem Weg zur Arbeit. Sie fährt 120 Stundenkilometer. Plötzlich ein Stoß. Ein Renault-Transporter rammt sie von hinten links. Marion Marbachs Erinnerung setzt erst wieder damit ein, dass der Fahrer des Transporters ihre Autotür aufreißt und sie dazu bringt, auf den Seitenstreifen zu fahren. Als die Polizei kommt, zittert sie am ganzen Körper. Der Polizist glaubt, sie friere. Er rät ihr, sich ins Auto zu setzen. Dort kauert sie aufdem Beifahrersitz und hat furchtbare Angst. Die Autobahn wird immer voller. Im Ballungszentrum Frankfurt beginnt der Berufsverkehr. Keiner hilft der zutiefst verängstigten Frau. Erst als der Abschleppwagen kommt, wird sie aus ihrer Lage befreit.
    Niemand, so scheint es, ist bei dem Unfall ernsthaft verletzt worden. Doch das täuscht. Marion Marbach wird es nie wieder richtig gut gehen. In kurzer Zeit liegt ihr Leben in Trümmern. Sie wird nicht mehr arbeiten können. An diesem Morgen wird sie in der Werkstatt von ihrem Bruder abgeholt. Sie zittert und friert, der ganze Körper tut weh. Sie geht zu einem Orthopäden, der typische Unfallfolgen diagnostiziert. HWS-Schleudertrauma, Brustwirbelsäulenprellung, Schulterquetschung. Sie bekommt ein Entspannungsmittel und schläft. Am nächsten Morgen hört sie zum ersten Mal Ohrgeräusche. Tinnitus. Die Tests beim HNO-Arzt sind für sie unerträglich. Sie zittert und ist extrem lärmempfindlich. Ihren Ärzten ist zunächst nicht klar, was mit ihr los ist. Michael Schumacher und andere Rennfahrer wären nach viel schwereren Unfällen einfach wieder in den Wagen gestiegen, muss sie sich anhören. Erst nach und nach erkennen die Mediziner, dass Marion Marbach eine posttraumatische Belastungsstörung hat. Das kann man behandeln. Man kann diese Erkrankung aber auch verschlimmern. Und genau das wirft Marion Marbach dem Kfz-Haftpflichtversicherer des Renaults, der Gothaer Versicherung, vor.
    Dabei hat sie alles richtig gemacht. Nach dem Unfall hat sie einen Anwalt eingeschaltet. Der Fiesta war hinüber, dafür hat die Gothaer schnell gezahlt. Aber für das, was ihr für den Schaden an Leib und Seele zusteht, muss sie jahrelang streiten. 2005 zahlt der Versicherer 12 000 Euro, das ist ein Bruchteil von dem, worauf sie einen Anspruch hat. Was der Versicherer in den Jahren dazwischen getan hat, ist in Marion Marbachs Augen Körperverletzung. Dass die Gothaer durch ihr Verhalten ihre

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