Die Angstmacher
Versicherer in die Organisation der Behandlung ein. Rehabilitation ist eigentlich eine Aufgabe der gesetzlichen Rentenversicherungsträger. Die zahlen auch Kuren und andere Maßnahmen, die den Verletzten wieder berufsfähig machen sollen. Aber so einen Service wie die privaten Versicherer haben sie nicht.
Mithilfe spezieller Angebote wollen die privaten Versicherer dazu beitragen, dass der Verunglückte schneller wieder gesund und arbeitsfähig wird. Bleiben schwere Behinderungen zurück, organisieren sie den Umbau der Wohnung oder sogar des Arbeitsplatzes. Das ist allemal billiger, als eine lebenslange Pflege oder höhere Rente zahlen zu müssen. Wer im Rollstuhl sitzt und berufstätig ist, erhält eine niedrigere monatliche Rente als der, der nicht erwerbsfähig ist. Spezielle Rehabilitationsdienste übernehmen die Betreuung Schwerstverunglückter. Sie werden – wenn es das Opfer oder seine Angehörigen zulassen – so schnell wie möglich eingeschaltet. Die Mitarbeiter entwerfen Behandlungs- und Rehabilitationspläne für eine zügige Genesung. Steht völlig außer Frage, dass ein Opfer durch einen Unfall schwer geschädigt ist, kommen die Versicherer mit ihrer Verschleppungs- und Verzögerungstaktik nicht weiter – zumal den Opfern mit den gesetzlichen Renten- und Krankenkassen oft mächtige Verbündete zur Seite stehen. Sozialversicherungsträger wollen nicht auf Behandlungskosten sitzen bleiben, und im Gegensatz zu den Opfern haben sie die Mittel und die Zeit, ihre Interessen durchzusetzen.
Die privaten Versicherer versprechen sich von der Organisation der Behandlung und Rehabilitation eine Ersparnis von10 bis 15 Prozent der Kosten für den »schweren Personenschaden«. Die Allianz spart im Einzelfall zwischen 1500 und bis zu 40 000 Euro im Jahr. Ob der Betroffene davon profitiert, hängt von der jeweiligen Behandlung ab. Steht tatsächlich seine baldige Genesung und seine volle Unterstützung im Vordergrund, kann das für ihn eine gute Sache sein. Geht es ausschließlich um die Kostensenkung, nicht. Experten fordern, dass Reha-Dienste für die Versorgung von Schwerstverletzten völlig unabhängig vom Versicherer sein müssen, damit es eben nicht nur ums Kostendrücken geht.
Doch die größten Dienstleister im Bereich Rehabilitationsmanagement nach Unfällen gehören Versicherern, genauer gesagt Rückversicherern. Das sind die Versicherer der Versicherer. Ein »schwerer Personenschaden« kostet schnell einige 100 000 Euro. Da sitzt der Rückversicherer mit im Boot. Der Rückversicherer GenRe, die frühere Kölnische Rückversicherungs-Gesellschaft, hat ein Unternehmen namens »Der Rehabilitations-Dienst« ins Leben gerufen, die Swiss Re das Unternehmen ReIntra. Die RehaCare GmbH gehört mehrheitlich der Allianz. Die öffentlichen Versicherer betreiben gemeinsam das Tochterunternehmen Reha Assist Deutschland.
Diese Dienste legen viel Wert auf ihre Unabhängigkeit. Sie mögen es formal sein. Aber sie gehören zum Lager der Versicherer, das sollte skeptisch machen. Sie sagen, dass sie keine Daten weitergeben und nicht weisungsgebunden sind. Das Vertrauen der Opfer zu diesen Dienstleistern ist wichtig. Halten Patienten medizinische Daten zurück, kann das den Genesungsprozess erheblich beeinträchtigen. Doch die Interessen zwischen Versicherern und Geschädigten sind nicht so gleich, wie es angesichts eines schweren Unfalls zunächst erscheint – beide Seiten wollen eine rasche Wiederherstellung des Verunglückten und möglichst keine oder wenige bleibende Schäden. Aber der Versicherer hat ein anderes finanzielles Interesse als der Geschädigte. Das Unternehmen kann mit Hinweis auf frühere Erkrankungen versuchen, dem Opfer weniger zu zahlen. Also: Vorsicht!
Nicht nur für den Bereich der medizinischen Rehabilitation unterhalten Versicherer eigene Dienstleister oder kooperieren mit solchen Gesellschaften. Im gesättigten Versicherungsmarkt wird der Service-Gedanke immer wichtiger. Ausgerechnet die Abzocker und Knauserer wollen immer stärker zu Kümmerern für die Kunden werden. »Assistanceleistungen« ist der Schlüsselbegriff. Mit dem Zerbrechen der traditionellen Milieus und der steigenden Mobilität der Bürger entstehen neue Bedürfnisse. Einfache Nachbarschaftshilfen sind nicht mehr so üblich wie noch vor ein oder zwei Generationen. Wer allein lebt und bettlägerig zu Hause ist, hat ein ernsthaftes Problem, auch wenn er jung und eigentlich gesund ist. Viele Menschen fürchten sich davor, plötzlich
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