Die Angstmacher
Propaganda rund um den tatsächlichen und vermeintlichen Versicherungsbetrug Kunden abschrecken soll, Schäden zu melden. So mancher rechtschaffene Bürger trägt den kleineren Schaden lieber selbst, bevor er sich der Gefahr aussetzt, als Betrüger dazustehen.
Die schwarze Liste der Versicherer
Die Versicherer selbst sind nicht bereit, sich in die Karten schauen zu lassen. Sie haben Geschäftsgeheimnisse ohne Ende. Die Verbraucher aber müssen gläsern sein. Wer eine Berufsunfähigkeitsversicherung will, muss detailliert zu seinem Gesundheitszustand Auskunft geben. Dabei trauen die Versicherer den Kunden nicht über den Weg. Um prüfen zu können, ob sie die Wahrheit sagen, legen die Versicherer gigantische Datenbestände an mit Informationen über auffällige, verdächtige oder einfach nur versicherungsschutzsuchende Verbraucher, ihre Fahrzeuge und Immobilien. Diese schwarze Liste trägt den harmlosen Namen »Hinweis- und Informationssystem« (HIS). Die Versicherer begründen die Notwendigkeit einer solchen Liste mit dem so verbreiteten Versicherungsbetrug.
So prüfen sie praktisch jeden Antrag auf Berufsunfähigkeitsversicherung mit einer vorgesehenen Rente von mehr als 9000 Euro im Jahr. Der Sachbearbeiter des Versicherers kann schnell recherchieren, ob der Kunde einem anderen Versicherer gegenüber Angaben gemacht hat, die dazu führen, dass dieser Anbieter ihn als ein besonders schlechtes Risiko eingeschätzt hat – und deshalb einen Zuschlag verlangen oder einen Vertrag ganz verweigern würde. Bei manchen Versicherern ist das bereits der Fall, wenn der Interessent unter einer Lese-Rechtschreib-Schwäche leidet. Die Versicherer haben unterschiedliche Risikoeinschätzungen und Kalkulationen, das ist der Wettbewerb. Wäre es nicht so, bräuchte es nicht verschiedene Angebote zu geben. Aber: Hat der Kunde einmal seine persönlichen Angaben in den Markt gegeben, ist es für ihn mit der freien Auswahl vorbei. Zwar haben die Anbieter, an die er sich wendet, keinen direkten Zugriff auf seine persönlichen Daten. Aber sie bekommen über das »Hinweis- und Informationssystem« den Wink, den sie brauchen. Hat ein Versicherer einen Kunden, der eine Berufsunfähigkeitsversicherung haben möchte, als ein »schlechtes Risiko« eingeschätzt, ist diese Bewertung fürden Konkurrenten abrufbar. Der Sachbearbeiter des Wettbewerbers erfährt nichts von dem Grund, warum der andere Versicherer den Kunden als besonders riskant einschätzt. Aber er weiß, dass der Wettbewerber einen Zuschlag verlangt oder den Kunden nicht haben will. Das ist für ihn ein warnendes Signal.
Früher bekamen die einzelnen Versicherungsunternehmen eine CD-ROM mit dem gesamten Datenbestand des »Hinweis- und Informationssystems«. Verbraucherschützer liefen Sturm dagegen. Was in den Unternehmen mit den Informationen geschah, war nicht nachvollziehbar. Die Verbraucher hatten keine Ahnung, welche Daten über sie gespeichert waren. Sie konnten die Informationen nicht einsehen und falsche Meldungen nicht korrigieren. Das hat sich geändert. Die Versicherer haben dem Protest der Datenschützer nachgegeben und ihr »Hinweis- und Informationssystem« generalüberholt. Im April 2011 ist das neue »Hinweis- und Informationssystem« an den Start gegangen. Es wird jetzt als Auskunftei von der Firma Informa Insurance Risk and Fraud Prevention betrieben, die eigens zu diesem Zweck gegründet wurde. Mitarbeiter der Versicherer melden Verdächtige oder stellen gezielt Anfragen. Dabei können sie jeweils nur auf eine Sparte zugreifen, also nur noch einen Vertrag in der Hausratversicherung oder einen in der Autoversicherung abrufen. Sie müssen ein berechtigtes Interesse haben, etwa einen Anfangsverdacht. Ob das vorliegt, wird stichprobenartig geprüft. Kundenprofile zu erstellen sei nicht möglich, sagt der Betreiber. Dazu lägen gar nicht genug Informationen vor. Die Versicherer müssen für die Nutzung zahlen. Eine Anfrage kostet den Versicherer zwischen 4 und 15 Cent, je nach dem Volumen der Nutzung. Große Versicherer mit vielen Recherchen bekommen einen Mengenrabatt. Kleinere Versicherer zahlen eine jährliche Pauschale in Höhe von 1800 Euro.
Kunden können die über sie gespeicherten Daten auch anfordern und erhalten die gleichen Informationen wie die Versicherer. Außerdem können sie abrufen, an welche Versicherer der Betreiber in den vergangenen zwölf Monaten Daten übermittelthat. Das ist mehr, als die Schufa ermöglicht. Die Anfrage müssen Kunden an den
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