Die Angstmacher
Betreiber der Auskunftei richten. Dieser macht es ihnen so schwer wie möglich, an die gewünschten Informationen zu kommen. Interessierte können die Selbstauskunft nur in schriftlicher Form und per Post einholen, sie müssen dazu eine Kopie der Vorder- und Rückseite ihres Personalausweises beilegen. Aus datenschutzrechtlichen Gründen müsse der Anfrager einwandfrei identifizierbar sein, sagt die Betreiberfirma. Sie hat zwar eine Internetseite, aber Anfragen per E-Mail sind nicht möglich. Dabei knüpft die Versicherungswirtschaft an die Entwicklung des elektronischen Personalausweises für ihre Geschäfte große Hoffnungen. Aber eben nur, wenn es ihren Interessen dient.
Die Wahrscheinlichkeit, in die Datei zu geraten, ist nicht gering. Theoretisch wird jeder erfasst, der eine Lebensversicherung mit einer Versicherungssumme von 100 000 Euro und mehr oder eine Berufsunfähigkeitspolice mit einer Rente von mehr als 9000 Euro im Jahr hat. Aber Verbraucher müssen darüber informiert werden. Manche Versicherer fürchten, dass Kunden das falsch verstehen könnten und beteiligen sich nicht. Anfragende Sachbearbeiter können prüfen, ob Verbraucher bereits Lebenspolicen mit hohen Versicherungssummen haben, die sie beim Antrag verschweigen. Routinemäßig erfasst wird auch jedes Auto, das als Totalschaden gemeldet oder dessen Schaden über ein Gutachten abgerechnet wurde. Die Daten werden über fünf Jahre gespeichert und dann gelöscht. Das gilt aber nur, wenn in der Zwischenzeit nicht neue Informationen hinzugekommen sind. Unbeteiligte Dritte geraten ebenfalls in die Datei. Dazu gehören Zeugen von Autounfällen, die unter für die Versicherer verdächtigen Umständen stattfinden. Das sind etwa nächtliche Autounfälle in unbelebten Gegenden.
Ist ein Kunde der Auffassung, dass er zu Unrecht auf der schwarzen Liste steht oder Informationen über ihn falsch sind, kann er sich bei der Betreiberfirma beschweren und die Löschung fordern. Der Betreiber setzt sich dann mit dem Versicherer in Verbindung. Die Erfolgsquote ist aber niederschmetternd. Zwischen der Inbetriebnahme des Systems im April 2011 und November 2011 gab es etwa 80 – wie die Betreiberfirma es nennt – Löschbegehren. Nur zwei davon waren erfolgreich.
1. Der fast aussichtslose Kampf gegen die Versicherungswirtschaft
S arah T. kann nicht mehr laufen und kaum noch sprechen. Die junge Frau mit den blonden Haaren weiß nicht viel von dem Kampf, den sie gegen einen mächtigen Gegner führt. Sie hat einen kleinen Sohn, der zur Schule geht. Um ihn kann sie sich nicht kümmern. Nach ihrem schweren Verkehrsunfall im Jahr 2004 ist ihre Ehe zerbrochen. Sie und der kleine Junge werden von ihrer Mutter Brigitte versorgt. Bis Ende 2009 wohnten Sarah T. und der Sohn in einer Wohnung mit zweieinhalb Zimmern im niedersächsischen Buchholz. Das Leben in der nicht behindertengerechten Umgebung war für die junge Frau, die an den Rollstuhl gefesselt ist, eine weitere schwere Belastung. Deshalb zogen sie und der Sohn in das Haus der Eltern. Zur Ruhe kommt die Familie nicht. Seit Jahren kämpft sie mit dem Kfz-Versicherer Generali. Immer wieder weigern sich die Sacharbeiter, erforderliche Hilfsmittel zu zahlen, schon bei Kleinigkeiten stellen sie sich quer. Bei den großen Fragen wie der Höhe des Schmerzensgelds und der Rente erst recht. Damit das ein Ende hat, fordert Sarah T., vertreten durch ihre Mutter Brigitte, eine einmalige Abfindung. Die Generali soll 7,25 Millionen Euro zahlen. Eine so hohe Entschädigung ist in Deutschland noch nie an ein Unfallopfer gezahlt worden.
Mit Spannung erwarten die Kunden und die Manager der Assekuranz, wie dieser Fall ausgeht. Hier geht es nicht nur um die Summe. Hier geht es um grundlegende Prinzipien der Schadenregulierung. Erstreitet Sarah T. das Recht auf eine einmalige Abfindung, ist das ein Durchbruch für alle Unfallopfer. Sie hätten gegenüber dem Versicherer eine viel stärkere Position als heute. Sie wären den raffinierten Schachzügen der Gegenseite nicht mehr so hilflos ausgeliefert. Davon ist der Buchholzer Fachanwalt für Versicherungsrecht Jürgen Hennemann fest überzeugt.»Sarah T. führt einen Kampf gegen die gesamte Versicherungswirtschaft«, sagt er.
Im Dezember 2004 macht Sarah T. mit ihrem Mann und dem im vorigen März geborenen Sohn in Italien Urlaub. Das Paar kommt aus Trient. Sarah T. sitzt in dem VW-Golf auf dem Rücksitz hinter dem Beifahrersitz. Auf der Brennerautobahn A 22 nahe Rovereto muss ihr Mann
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