Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Angune (German Edition)

Die Angune (German Edition)

Titel: Die Angune (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Staedtgen
Vom Netzwerk:
enenwachs sorgte dafür, dass sie steif nach hinten wegstanden. Und so entstand im Laufe der Stunden am Hinterkopf eine mächtige Frisur, die einer Löwenmähne würdig war. Vier dünne Strähnen ließen die Dienerinnen von den Schläfen frei herunterhängen. Sie kokettierten mit den glatten, zarten Wangen der Frau. Das Ende dieser dünnen Filzlocken steckte in kleinen leuchtenden Goldhülsen, die den Blick automatisch auf das Gesicht der Frau leiteten.
    Sie hatte schmale Augen, deren Wirkung durch seitlich ve rlängerte Lidstriche noch betont wurde, und ihre dunklen und schön geschwungenen Augenbrauen betonten den wachen und eindringlichen Blick der hellgrünen Augen. Der Nasenrücken war schmal und geradlinig, und die vollen Lippen sehr verführerisch.
    Die Gesichtszüge waren eckig und edel und wurden durch das Volumen der Filzlocken am Hinterkopf noch betont.
    Es war ein aristokratisches Gesicht. Es war das Gesicht einer Person die gewöhnt war zu herrschen.
    Es war das Gesicht von Tha'lith, der Hohepriesterin der Feinen.
    In der Welt der Sterblichen war Tha'lith die Repräsentantin von Undina und oberste Wächterin des Tempels des Wassergeistes. Sie hatte nicht nur die Aufsicht über die Priesterschaft des Tempels. Sie leitete auch den Tempelkult und brachte die wichtigsten Opfer dar. Mit Opfergaben, Tanz und Musik sollte Undina dazu ermutigt werden, sich im Tempel am Meer niederzulassen. Dementsprechend war Tha'lith auch die einzige, die das Allerheiligste des Tempels betreten durfte: die unterirdische Grotte am Meer.
    Da im Volk der Feinen die Kaste der Priesterinnen allen anderen Kasten zahlenmäßig überlegen war, war die Hohe priesterin des Tempels der Undina gleichzeitig auch die oberste politische Führerin des Volkes.
    Sie war so etwas wie eine Königin, und ihre ganze Körpe rhaltung im Scherenstuhl unterstrich mit jenem Muskel diese Position. Selbst die sonst schwatzhaften Gemachdienerinnen, die ihr das Haar richteten, schwiegen ehrerbietig. Nur gelegentlich vernahm man das Rauschen eines Sari wenn die drei Gemachdienerinnen die Position wechselten.
    Die Ruhe wurde gestört als die Gemachschwester den Raum betrat. Sie blieb ein paar Meter vor dem Scherenstuhl der Hohepriesterin stehen und verneigte den Kopf, so als würde sie ihre nackten Füße anschauen.
    »Erlauchte Schwester, ich bitte um Entschuldigung!«, unterbrach die Gemachschwester die Arbeiten am Haar der Hohepriesterin.
    Die Gemachschwester war die persönliche Dienerin der Hohepriesterin, und darum unterbrachen die drei Gemachdienerinnen sofort ihre Arbeit, stellten sich in einer Reihe hinter der Hohepriesterin auf und senkten ebenfalls den Kopf. Sie waren für das Reinigen und Vorlegen der Kleidung, die Körperpflege und Hygiene ihrer obersten Herrin, das Herrichten der Haare, die Nagelpflege und das Auflegen der Schminke verantwortlich.
    »Schwester Biaka'lith! Was ist?«
    Unter vier Augen hätte die Hohepriesterin ihre Gemachschwester nur mit dem Namen angeredet, denn beide kannten sich gut.
    Sehr gut!
    Als Vertrauteste der Hohepriesterin musste die Gemachschwester in einem Zimmer neben dem Schlafzimmer der Hohepriesterin übernachten, um ihr auch nachts im Notfall beistehen zu können. Meistens übernachtete sie aber bei der Hohepriesterin. Sie hatte deshalb erheblichen Einfluss auf die Hohepriesterin und war allgemein das zweithöchste Amt in der Priesterschaft der Feinen. Aber in der Anwesenheit von drei Gemachdienerinnen ziemte es sich nicht, die vorgeschriebene und achtungsgebietende Anrede zu übergehen.
    »Die Kundschafterinnen sind zurückgekehrt, Erlauchte Schwester«, antwortete Biaka'lith, die Gemachschwester.
    Das war eine gute Nachricht für Tha'lith. Ihre Kundschafterinnen durchstreiften beständig das Grenzgebiet zwischen Akkadonien und den Weiten Ebenen. Es waren große und dünnbesiedelte Wälder, und die meisten Elfen führten in dieser gesetzlosen Gegend ein Leben im Verborgenen - abgesehen von ein paar kleinen und verkommenen Grenzortschaften. Manchmal dauerte es zwei oder drei Dekadome bis die Kundschafterinnen ein verwildertes Kind fanden und hierher brachten.
    »Sagt den Kundschafterinnen sie sollen warten, Schwester Biaka'lith!«
    »Jawohl, Erlauchte Schwester!«, antwortete die Gemachschwester, verneigte sich kurz und verließ den Raum.
    Tha'lith ließ sich von ihren Gemachdienerinnen noch schnell die Schminke überprüfen.
    Auf die Augenlieder und den Nasenrücken wurde ein Lidschatten aufgetragen mit einem

Weitere Kostenlose Bücher