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Die Angune (German Edition)

Die Angune (German Edition)

Titel: Die Angune (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Staedtgen
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Darunter trug sie eine wärmende Pelerine über den Schultern, sowie zwei dicke Beutel auf Brust und Rücken.
    »Mein Sklave wird sich um Euer Gepäck kümmern, gnädige Frau!«, sagte Ken'ka Rosenstaub während er ganz zappelig zu schaute, wie die Frau ihr nasses, kupferrotes Haar zu ordnen versuchte. Sie streifte den großen Rucksack ab, und als Ken'kas Sklave ihr auch mit dem vorderen Beutel behilflich sein wollte, wehrte sie mit beiden Händen ab.
    »Hoheit, mein Kind braucht die stillende Brust einer Mu tter.«, sagte die Fremde. »Habt ihr eine junge Mutter, die bereit wäre ihre Milch zu teilen.«
    »Ja, selbstverständlich!«, antwortete Ken'ka Rosenstaub und wandte sich an den Sklaven. »Los, du hast den Wunsch der Frau gehört!«
    Er scheuchte den Sklaven mit mehreren hastigen Handbewegungen davon.
    »Und danach kochst du warmen Milchtee für unseren Gast!«, rief er dem Sklaven hinterher.
    Als die Frau die sich kreuzenden Stoffbahnen auf ihrem Bauch auseinander zog, kam der schwarz behaarte Kopf eines Säuglings zum Vorschein, der sich gestört fühlte und sofort zu schreien anfing.
    »Wir werden schnell eine Mutter finden, die bereit ist, E uren Säugling an die Brust zu legen«
    Der Menelide meinte die Frau beruhigen zu müssen. Dann bot er ihr einen Platz am großen Sippentisch an.
    »Nehmt doch bitte Platz, gnädige Frau! Das Feuer wird Euch rasch erwärmen. Und verratet endlich einem neugierigen alten Mann, was Euch hierher führt!«
    »Man hat mich gebeten nach Rassagard zu gehen und zu sagen, ich hätte Neuigkeiten von Kat'ka Rosenstaub!«
    »Mein Name ist Kenaan Ken'ka Rosenstaub. Katara Kat'ka Rosenstaub ist mein Tochter. Sagt, wie geht es ihr?«, fragte Ken'ka Rosenstaub. Doch schon im gleichen Augenblick bereute er die Frage. Das erschrockene Gesicht der Frau ließ eine böse Vorahnung in ihm aufsteigen.
    »Oh, das tut mir leid!«, kam die zögerliche und bedrückte Antwort.
    »Ist ihr etwas zugestoßen?«, fragte der Menelide leise.
    Ihm wurde ganz kalt, als er sah, wie die Frau leise nickte und ihn mit traurigen Augen ansah.
    »Ist sie ...«
    Er musste schlucken.
    »... tot?«
    »Ja, Hoheit.«
    Da versagten Kenaan Ken'ka Rosenstaub die Beine. Schwerfällig ließ er sich auf einen Stuhl fallen und starrte ins Feuer. Als er wieder zur Frau hochschaute, waren seine Augen ganz wässerig geworden.
    »Wie ist sie gestorben?«, fragte er leise mit stockender Stimme. »War sie krank? Wurde sie gemeuchelt?«
    Er spürte wie die fremde Frau ihre Hand tröstend auf seine Schultern legte.
    »Nein! Sie starb durch die eigene Hand!«
    Der Menelide schwieg einen Moment, so als wagte er nicht die nächste Frage zu stellen.
    »Wie?«
    Die Frau schwieg. Sie zögerte, um die Antwort zu geben.
    »Sie hat sich erhängt!«
    »Oh, ihr Götter!«
    Ken'ka Rosenstaub konnte die Tränen nicht mehr zurüc khalten.
    »Aber am Tag zuvor nannte sie mir Euren Namen, und hat mich gebeten nach Rassagard zu reisen.«
    »Meine kleine Kat'ka!«, flüsterte der Menelide. »Sie hat trotz allem an mich gedacht.«
    Gedankenverloren starrte er ins Feuer, aber er sah die Flammen nicht. Die Tränen liefen ihm über die Wangen. Nach einer Weile räusperte er sich, zog die Nase ein paarmal g eräuschvoll hoch, und sagte.
    »Vielen Dank, gnädige Frau, dass Ihr ihrer Bitte nachgekommen seit!« sagte er mit gebrochener Stimme.
    »Kein Problem!«
    »Ich bin Euch eine Erklärung schuldig!«
    »Um Himmelswillen, nein! Sie sind mir gar nichts schuldig!«
    »Doch, doch! Ihr habt eine weite Reise auf Euch genommen, nur um einem Unbekannten eine traurige Nachricht zu überbringen. Die Tat einer ...«
    Ken'ka Rosenstaub stockte. Das Wort Selbstmörderin wol lte nicht über seine Lippen kommen. Es klang so entsetzlich abwertend. Es auszusprechen, bedeutete, seine Tochter zu verhöhnen. Und das hatte sie nicht verdient.
    »Wissen Sie, ...«, fuhr der Menelide nach einer Weile fort, »... das Leben in der Tundra ist ein hartes Leben. Nicht schlecht, aber hart. Die Eltern müssen ihr Wissen und ihre Erfahrungen an die Kinder weitergeben, damit die Kinder später für das Überleben der Sippe sorgen können. So war es schon immer, und so wird es immer sein. Hier in der Festung ist das Leben beschaulicher als draußen, aber die Tradition ist die gleiche. Eines der Kinder übernimmt die Festung, um sie im Namen der Sippe weiter zuführen.«
    Der Menelide schwieg einen Moment.
    »Die Götter waren meiner Frau und mir nicht gnädig gestimmt. Sie hatten uns

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