Die Angune (German Edition)
langes Haup thaar, so wie es bei vielen Sonnenraupen spross. Das ließ sich vielleicht zu etwas Wertvollem verarbeiten. Filigran mit Goldfäden verflochten und von einem Goldschmied an den Endstücken in Timonium gefasst, konnte aus dem Haar ein prächtiger Gürtel werden.
Der Körper der alten Sonnenraupe, dagegen, war nicht verwendbar. In seinem Alter wurden Haare und Knochen schnell brüchig, und die Haut wies erste Falten auf und konnte nicht mehr zu glattem, weißem Pergament verarbeitet werden. Die jungen Krieger, dagegen, waren im besten Alter. Aber um sie zu häuten, blieb wahrscheinlich nicht genügend Zeit. Hatte Sagramit erst einmal den alten Mann getötet, musste alles recht schnell gehen. Aber vielleicht blieb ihm genug Zeit um den vier Reitern das Haupthaar zu nehmen.
Und so hockte Sagramit Alzamki gedankenverloren oben im dunklen Gebälk und sinnierte über die Knochenkunst, und wie sich ein Stück von einem jungen und unverletzten Oberschenkelknochen schneeweiß machen und polieren ließ. Die Innenseite des Röhrenknochens könnte er mit Zinnober färben. Durch eine fein geschnitzte, löcherige Darstellung an der Vorderseite des Knochens würde der Zinnober im Inneren sichtbar bleiben. Und die beiden Enden, dort wo die feinen aber hässlichen Kanäle der Knochen zu sehen waren, würde er mit Blattgold versiegeln.
Seine Augen beendeten die Tagträumerei abrupt, als ein neuer Gast von den Wachen durch das Torhaus hereingelassen wurde. Es schien sich um eine Frau zu handeln, die ihr Reis egepäck in ein paar schweren Bündeln unter einer weiten Pelerine auf Bauch und Rücken trug.
Wahrscheinlich wäre die Fremde, die aussah wie viele and ere reisende Frauen auch, seiner Aufmerksamkeit entgangen, aber selbst in dieser grauen, diesigen Suppe hatte sein geschultes Auge sofort die kupferroten Haarsträhnen entdeckt, die unter ihrer Kapuze herausschauten und an den nassen Wangen klebten. Allerdings konnte er nicht erkennen, welchem Volk sie angehörte. Ihm war kein Elfenvolk bekannt, wo rotes Haar vorkommen würde. Rotes Haar gab es nur bei den hässlichen Steinmaden.
Und dann geschah etwas, womit der Assassine nicht g erechnet hatte. Die Frau entfernte sich erwartungsgemäß vom Torhaus, um zur Herberge hochzugehen, aber dann blieb sie unvermittelt und abrupt auf dem Platz vor dem Getreidespeicher stehen und begann sich umzuschauen. Nein, es war eher so als suchte sie etwas! Sie drehte sich um und blickte zum Torhaus zurück. Dann schaute sie hoch und suchte die Dächer rund um den Platz ab. Ihre Bewegungen wirkten unruhig.
Die fremde Frau hatte jetzt die Neugierde des Assassinen erweckt, denn ihr Verhalten war ungewöhnlich und auffallend. Anstatt zur Herberge hochzugehen, so wie andere Reisende auch, inspizierte sie hastig die Umgebung des Bauernhofes!
Vielleicht war sie eine Spionin, die sich einen Überblick über die Festung beschaffen wollte? Sagramit Alzamki belustigte der Gedanke, dass er vielleicht nicht der einzige Eindringling mit dunklen Gedanken in Rassagard war. Er würde sich einen Spaß daraus machen, die Fremde auf ihre Absichten hin zu befragen. Und er würde ihre Befragung genießen und ein kleines Andenken von ihr mit nach Hause nehmen. Vielleicht ließ er ihre Brustnippel trocknen und mit Blattgold überziehen, und - eingefasst in einem dünnen Ring aus Timonium - auf dem Echthaargürtel der vier Krieger anbringen.
Da machte die Angekommene eine paar Schritte auf den Getreidespeicher zu! Unwillkürlich presste sich der Assassine gegen den dicken Balken in seinem Rücken und umgab sich mit Dunkelheit! Er umschloss den Griff seines Scheibendo lches, den er in einer Knochenscheide trug, und ließ die scharfe Klinge geräuschlos herausgleiten. Der nächste Schritt den die Fremde machen würde, würde sie direkt in die Anderwelt führen.
Sekundenlang starrte die rothaarige Frau hoch ins Dunkel unter dem großen Vordach. Der sprungbereite Assassine fol gte jeder ihrer Bewegungen mit Argusaugen. Seine zusammengezogenen Augenbrauen bildeten eine tiefe dunkle Furche auf der Stirn.
Dann drehte sich die Fremde endlich um und ging davon. Der Assassine ließ den Dolch in die Scheide zurückgleiten. Langsam entspannte er sich wieder. Sein Vater hatte ihm ei ngeschärft, dass er unter keinen Umständen bei der Ausführung seines Auftrages versagen durfte. Aber fast wäre er wegen dieser Fremden gescheitert.
Instinktiv entschied der Assassine, dass die Fremde sterben musste. Und zwar so
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