Die Angune (German Edition)
schnell wie möglich, denn sie war ein unerwartetes Hindernis und eine Gefahr für seinen Auftrag.
Der Meister der Schrift Calaele’en Obra Barkarië und die Maga Dran'ja Do'ul Corón saßen in einem Raum, den der Menelide Kenaan Ken'ka Rosenstaub ihnen im ersten Stock der Herberge zur Verfügung gestellt hatte.
Gestern hatten der Meister der Schrift und die Maga sich lange mit dem Fürsten von Rassagard beraten, was denn nun die beste Vorgehensweise sei, um sich gegen den zu erwartenden Angriff eines Hautabziehers zu verteidigen, aber sie waren zu keinem Ergebnis gelangt. Einig waren sie sich bloß in der Feststellung, dass ein Assassine der Hautabzieher, der sich versteckte, nicht gefunden werden konnte. Kein Zauberspruch konnte seine Anwesenheit verraten. Die drei konnten nicht einmal mit Bestimmtheit behaupten, dass der Haz überhaupt schon hier war. Und sie waren sich auch einig, dass - falls er noch nicht hier war - der Steinwall mit der Holzpalisade ihn nicht würde aufhalten können.
Also mussten sie warten, bis der Haz aktiv wurde, und se ine Anwesenheit verriet. Dies hieß allerdings nicht, dass sie bis dahin tatenlos auf ihn warten würden.
Anfangs wollte der Fürst von Rassagard seinen beiden Gä sten einen Raum über der Sippenhalle zur Verfügung stellen, doch der alte Meister der Schrift weigerte sich. Er konnte die beiden anderen davon überzeugen, dass der Aufenthalt an einem belebten Ort sicherer war. Und so übernachteten er und die Maga - wie alle anderen auch - in der Herberge.
Allerdings bestand die alte Maga auf ein paar Sicherheit svorkehrungen. Der lange Flur, der zu ihrem Zimmer führte war dunkel und fensterlos, und wurde von einigen stark rußenden Talglichtern schlecht erhellt. Auf ihr Geheiß wurden die Talglichter durch heller leuchtende Karbidlampen ersetzt. Und dem Wasserbehälter fügte sie aus einer kleinen Phiole ein paar Tropfen einer klaren Flüssigkeit bei.
Auch wenn die neuen Flurlampen jetzt mit einer hellen, blauen Flamme brannten, waren sie nicht dazu gedacht, um im Flur besser sehen zu können. Wenn der Assassine sich näherte, würde er eine Wolke aus dunklem Staub durch den Flur schicken, um den Flammen nacheinander das Leben zu nehmen und sich mit schützender Dunkelheit zu umgeben. Die Phiolenflüssigkeit der Maga konnte nicht vermeiden, dass die Flammen erloschen, doch es würde zu einer winzigen Verpuffung kommen, die auf Grund des dunklen Staubes zwar lichtlos sein würde, aber nicht geräuschlos.
Es war eine Falle, die das Kommen des Assassinen verraten sollte.
Wenn er jetzt vorwärts stürmte um seinen Auftrag dennoch zu vollbringen, hatte sich die Maga eine zweite Falle ausgedacht.
Sie spannte im Türrahmen und in den zwei Fenstern des Zimmers dunkle Fäden aus Timonium. Das relativ weiche und mattschwarze Timonium war im Dunkeln nicht zu erkennen und konnte Magie in großen Mengen speichern. Wenn der Haz gegen die Fäden lief, würden sie sich im Türrahmen w iderstandslos bis zum einem bestimmten Punkt dehnen, sich dann aber implosionsartig zusammenziehen, und den darin hängenden Hautabzieher hinaus katapultieren.
Dies sollte genügen um der Maga und dem Meister der Schrift zur Flucht zu verhelfen.
Und so saßen sie jetzt in ihrem Aufenthaltsraum und harrten der Dinge. Der Meister der Schrift konzentrierte all seine Gedanken auf seine Atmung, um den Zustand einer kraftvollen inneren Sammlung zu erreichen. Die quirlige, alte Maga, dagegegn, machte das Verhalten des Meisters der Schrift nur noch unruhiger, und so öffnete sie gelegentlich eines der Fenster um frische Luft zu schnappen, wie sie sagte.
Sie war zwar nicht mehr die Jüngste, aber ihr Blick war noch immer scharf genug, um die kupferroten Haarsträhnen zu erkennen, die im Gesicht der Frau klebten, die zur Sippenhalle des Meneliden ging.
Die Angune!
Endlich!
Die Angune war angekommen, und die Maga zögerte nicht lange, um dem zweifelnden, aber dennoch erstaunten Meister der Schriften die gute Nachricht zu überbringen.
Kenaan Ken'ka Rosenstaub, der Fürst von Rassagard, set zte sich in der Sippenhalle auf seinen dreibeinigen Hocker. Er hatte sich beeilt, denn er wollte diese Frau, die Kunde von seiner Tochter brachte, nicht warten lassen.
»Hilf der Frau mit ihrem Gepäck!«, befahl er dem Sklaven, der die Fremde hereinließ.
Der geduldige und immer gelassen wirkende Menelide war jetzt nervös. Die Frau zog die nasse Kapuze vom Kopf, und schälte sich aus dem gewachsten Umhang.
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