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Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust

Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust

Titel: Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ellis
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dass es noch eine Stunde bis zur Hinrichtung war.
    »Wenn ich den Willen der Mehrheit der Menschen in diesem Staat berücksichtige«, sagte er, »dann rühre ich dieses Telefon nicht an. Was ist falsch daran, zu tun, was die Mehrheit verlangt?«
    »Die Mehrheit will, dass Sie Ihr eigenes Urteilsvermögen gebrauchen und nicht einfach nur ihren Zurufen folgen, wie in einer Bürgerversammlung. Sie erwartet von Ihnen, dass Sie ihr die schwierigen Entscheidungen abnehmen.«

    »Verstehe.« Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Selbst wenn diese schwierigen Entscheidungen gegen ihren Willen sind.«
    »Deshalb sind sie ja so schwierig.«
    »Und selbst wenn ich mir damit bei der Wahl selbst schade.«
    »Wieder richtig.«
    »Man kann kein guter Gouverneur sein, ohne vorher Gouverneur …«
    »Oh, Herr Gouverneur, ersparen Sie mir das, okay? Ich meine, warum zum Teufel überhaupt Gouverneur werden, wenn man kein guter sein kann? Wenn man nicht in diesem Amt das Richtige tun kann, und zwar so oft wie möglich? «
    Er betrachtete mich nachsichtig, wie er es vielleicht bei einem bockigen Kind getan hätte. »Sie würden die Strafe umwandeln. «
    »Ja«, bestätigte ich, »das würde ich. Lassen Sie ihn für immer im Gefängnis, aber lassen Sie ihn die Welt zu einem etwas besseren Ort machen.«
    Ich atmete aus. Ich hatte versucht, in dieser Sache neutral zu bleiben. Es war mir wichtig erschienen, dass der Gouverneur seine Entscheidung aus den richtigen Gründen traf, egal, wie das Ergebnis ausfiel. Jetzt überraschte ich mich selbst mit meiner plötzlichen Antwort – und wie sehr ich von ihr überzeugt war, sobald ich sie einmal ausgesprochen hatte.
    Der Gouverneur breitete die Hände aus. »Ich kann das nicht tun, mein Sohn. Ich kann es einfach nicht.«
    »Doch, Sie können.«
    Er lächelte grimmig. »Sie haben recht. Ich will es nicht.«
    Ich hatte das Gefühl, als wäre alle Luft aus dem Raum gewichen. Es gab nichts mehr zu sagen. Ich hatte dem Gouverneur
nicht das gegeben, was er von mir erwartet hatte – Bestätigung und Bekräftigung –, doch das würde nichts an seiner Entscheidung ändern.
    Er blickte auf seine Uhr. »Ich dachte, ich hätte gerne etwas Gesellschaft, aber ich bin mir nicht mehr sicher.«
    Klar. Er wollte nicht, dass meine missbilligenden Augen auf ihm ruhten, wenn es zwölf schlug und das Gift in die Venen von Antwain Otis gespritzt wurde, der auf einer Liege gefesselt dalag.
    Ich erhob mich, strich mein Jackett glatt und spürte dabei in der Innentasche das Gewicht des F-Birds. Ich dankte ihm und ging zur Tür.
    »Tut mir leid, Jason«, sagte er.
    Ich hielt noch einmal inne und wandte mich um. Antwain Otis mal beiseite – der Gouverneur hatte heute Abend vermutlich genug über Richter Ippolito geäußert, um sich für morgen einen Haftbefehl einzuhandeln.
    »Mir tut es auch leid«, sagte ich.

92
    Ich legte einen Zwischenstopp an der Hotelbar ein. Ich hatte es nicht sonderlich eilig, in die Suite 410 zurückzukehren. Tucker und Moody würden den Inhalt des F-Birds verschlingen wie ihr letztes Mahl, was es in gewissem Sinn ja auch war. Sie würden eine Einsatznachbesprechung abhalten wollen, jetzt, wo mein Auftrag beendet war. Vielleicht musste ich sogar
die Anträge für die Haftbefehle mit ihnen durchgehen, da ein Großteil der darin enthaltenen Informationen von mir stammte. Keine Ahnung, was mich genau erwartete, in jedem Fall war ich nicht scharf auf eine lange Nacht. Am liebsten hätte ich mich irgendwo verkrümelt. Ich wollte überall sein, nur nicht hier.
    Der Dirty Martini war zu schmutzig, zu salzig. Ich kippte ihn schnell hinunter und bestellte dann einen Whiskey, der heiß und bitter durch meine wunde Kehle rann, was sich irgendwie angemessener anfühlte.
    Zu Fuß ging ich vom Ritz zum Federal Building. Die Nacht war nicht allzu kalt, aber offensichtlich hatte es geregnet, denn ein dumpfer, feuchter Geruch hing in den verlassenen Straßen. Die frische Luft tat mir gut.
    »Ich bin fertig«, informierte ich Lee Tucker über Handy.
    »Und? Wie lief’s?«
    »Bin in zehn Minuten bei Ihnen«, erwiderte ich.
    Ich kam an einem Pärchen vorbei, das Arm in Arm dahinschlenderte, betrunken und verliebt. Ich kam an einem Obdachlosen vorbei, der mit dem Rücken an einer Hauswand hockte, und reichte ihm einen verknitterten Fünfer aus meiner Hosentasche. Er gab ein Geräusch von sich, aber ich konnte die Worte nicht verstehen. So viel Leid in dieser Welt. So wenige Menschen – mich eingeschlossen

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