Die Ankunft
da stand Katja und hielt sie am Arm fest.
"Wenn sie dir die ganze Geschichte erzählen wollen, dann solltest du sie anhören. Es sind ein paar Informationen dabei, die einiges in neuem Licht erscheinen lassen."
"Und wer bist du? Die Puffmutter?"
"Ich bin zum Glück nicht leicht zu beleidigen", sagte Katja und schob Alexa energisch die Treppe hinunter. "Und jetzt halt den Mund und hör dir die Geschichte an. Wenn du danach noch schreien und herumfluchen willst, werde ich dich nicht aufhalten."
Alexa zog die Nase hoch. Ich hielt ihr eine Packung Taschentücher hin, aber sie schlug meine Hand weg.
"Ich bin eine Gestaltwandlerin", sagte ich. "Ich werde von Werwölfen verfolgt. Sam wusste darüber Bescheid, weil sein Vater einem alten Druidenorden angehört, der für Ordnung zwischen Wandlern und Werwölfen sorgt. Das hier ist mein Versteck, und ich warte, dass der Orden mich in Sicherheit bringt."
"Ja, genau", sagte Alexa.
Ich hatte keine Zeit zu diskutieren. Ich wollte dringend wissen, wie sie meinen Unterschlupf gefunden hatte, aber sie würde wohl kaum mit mir reden, ehe ich sie nicht gänzlich überzeugt hatte. Ich streifte mein T-Shirt ab und verwandelte mich in einen Wolf.
Sam half Alexa auf das Sofa und fächelte ihr Luft zu. Alexa schien plötzlich einer Ohnmacht nahe.
Ich verwandelte mich zurück und zog mich wieder an.
"Überzeugt?"
"Ich glaube, ich träume", murmelte Alexa.
"Du träumst nicht", sagte Sam. "Aber selbst wenn es so wäre, wüsste ich gerne, wie du uns gefunden hast."
"Du hast das gewusst?"
"Dass es Werwölfe und Wandler gibt? Ja, von meinem Vater."
"Warum hast du nie etwas gesagt?"
"Die Eingeweihten verpflichten sich unter Eid, ihr Wissen für sich zu behalten. Es war auch nicht schwer, solange ich keine Wandler kannte. Erst als Anna ins Spiel kam und ich ihre wahre Natur entdeckte, wurden die Dinge kompliziert."
"Und als du begonnen hast, mit ihr zu schlafen."
"Ja, das auch."
Alexa warf Sam einen Blick voller Hass und Abscheu zu.
"Es tut mir leid", sagte Sam niedergeschlagen.
"Trotzdem müssen wir wissen, wie du uns gefunden hast", warf ich ein.
"Das war nicht so schwer", sagte Alexa. "Ich bin Sam gefolgt. Auf dem Fahrrad. Hier im Wohngebiet habe ich ihn dann verloren, also bin ich herumgefahren, bis ich sein Fahrrad an einem Laternenpfahl entdeckt habe. Dann bin ich ein bisschen um die Gärten spaziert und habe dich lachen hören. So einfach war das."
"Viel zu einfach", sagte Katja. "Ich verständige den Orden."
Mir wurde plötzlich mulmig. Alexa stand auf.
"Ich muss raus hier", verkündete sie. "Mir ist das gerade ein bisschen viel. Mein Freund schläft mit meiner Freundin, die sich in einen Wolf verwandeln kann. Ihr seid doch alle Freaks."
"Was wird denn jetzt?", fragte Sam kleinlaut.
"Keine Ahnung", sagte Alexa. "Ruf mich nicht an. ich melde mich bei dir. Oder auch nicht. Mal sehen."
Sie drehte sich auf dem Absatz herum und rauschte die Treppe hinauf zur Haustür. Katja ließ sie an sich vorbei und sah ihr hinterher.
"Armes Mädchen", sagte sie. "Ihr seid wirklich unfair, ihr beiden."
"Das ist alles viel komplizierter...", setzte Sam an, doch Katja schnitt ihm das Wort ab.
"Nein, junger Mann. Dieser Teil der Geschichte ist überhaupt nicht kompliziert. Du hast deine Freundin mit einer rassigen Blondine betrogen. Das ist so unkompliziert, dass es schon total banal ist."
"Ich muss das nicht mit dir diskutieren, und mir auch keine Beleidigungen anhören!", fuhr Sam auf.
"Völlig richtig", sagte Katja. "Das ist auch nur meine unmaßgebliche Meinung. Zum Glück geht mich eure Dreiecksgeschichten nichts an."
In diesem Augenblick ertönte von der Straße ein gellender Schrei.
23. Kapitel
In den Wäldern bei Bedburg, Sommer 1606
« Regarus di vita! Auf das Leben! »
So viel Trubel hatte Anna noch nie erlebt. Das Haus quoll über vor Besuchern. In dem kleinen Anbau hatte man behelfsmäßige Betten errichtet und eine größere Tischplatte organisiert, damit bei den Mahlzeiten alle zusammensitzen konnten.
Viele der Besucher kannte sie nur flüchtig von ihren kurzen Besuchen während der vergangenen Jahre. Da waren Tamus und Eleonora, zwei Wächter, die seit undenklichen Zeiten mit Imagina befreundet waren. Ein weiterer Wächter, Ruperto, war eigens aus Italien angereist, um Annas Zwielicht beizuwohnen. Er war in Begleitung von Astra, einer alterslosen, anmutigen Frau, die noch die späten Zeiten des Römischen Kaiserreiches erlebt hatte.
Anna, kurz vor ihrem
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